An application a day takes the doctor away…
von Svitlana Magazova
Man befürchtet eine Blasenentzündung? Kein Problem – Dr. App fragen! Man braucht nur ein Foto vom Urinteststreifen zu schießen und das Smartphone Display liefert die Diagnose. Ob es sich um Ernährungspläne, Medikamentenverschreibungen oder Krebsdiagnose handelt – die Apps scheinen auf alle Fragen eine Antwort parat zu haben. Über 200 Millionen Medizin-Apps boomen heute auf dem Markt. Experten warnen: Viele sind Schrott!
Eine digital bedingte Revolution?
Am 3. Juni 2013 war es soweit – Die Veranstaltung Medical Apps 2013 öffnete in Stuttgart über zwei Tage ihre Pforten. Neben einer Konferenz standen diverse Workshops und Ausstellungen im Angebot, die sich alle mit einem Thema befassen – den medizinischen Apps. Es kamen Vertreter aus den verschiedensten Bereichen: Dem Gesundheitswesen, der Industrie, der Forschung und dem IT-Bereich. Ihr Ziel besteht darin, die Verbindung zwischen Informationstechnologie und Gesundheitswesen zu stärken und auszubauen. Es entstehen außerdem immer mehr Medizinportale, wie CrowdMed, dessen Intention es ist, Patienten über den elektronischen Weg zuverlässige Diagnosen zu liefern sodass in Zukunft der Arztbesuch per „Knopfdruck“ erfolgen kann. Es ist nicht mehr zu übersehen – das Gesundheitswesen befindet sich in einer digital bedingten Revolution!
Von Fiebermessung zur Krebsdiagnose
Laut dem Brancheverband Bitkom, gab es bereits im Jahre 2011 um die 15.000 Gesundheitsapps. Jedoch beschränkten sich diese eher auf Angebote, wie Schrittzähler für Jogger oder Trainingsprogramme mit Fitnessübungen. Nun reichen aber die Apps von medizinischen Hilfen, wie Fieber- und Blutzuckermessen, Alkohol- oder Sehtests bis zur Leberfleckenprüfung. Dabei handelt es sich um eine Art Ersatz für die „Blickdiagnose“ des Arztes, welche nun das Kameraauge übernehmen kann. Mittels Algorithmen wird die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass ein Fleck bösartig ist. Darüber hinaus gibt es die sogenannte „Pulsmess-Apps“, wobei Licht und Kamera eingesetzt werden können.
Treffsicherer als der Arzt?
Am meisten Anklang auf dem Markt findet eine Vielzahl von Tests- und Diagnose- Apps. Angefangen hat alles mit Webseiten zur Selbstdiagnose, wie was-fehlt-mir.net. Somit konnte zum ersten Mal der Arzt durch eine Maschine ersetzt werden. Heute noch sind viele Apps lediglich mobile Ableger der alten Webseiten. Diagnosewebseiten können jedoch für Hypochonder die reine Hölle bedeuten – auch harmlose Symptome können sich nach unnötig langer Recherche als Anzeichen einer ernsthaften Krankheit entpuppen. Um solche Fehldiagnosen zu vermeiden und die Patienten nicht zu verunsichern, hat sich in jüngster Vergangenheit das US-Startup CrowdMed entwickelt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Diagnoseseiten, sind auf dieser Plattform nur Diagnosen eingestellt, die zuvor tatsächlich von Fachärzten erstellt wurden. Für die Information muss der Patient aber zunächst tief in die Tasche greifen – 199 US-Dollar sollen an das Unternehmen gezahlt werden. Ist diese Hürde jedoch genommen, gibt der Kranke zahlreiche Daten über sich und seine Krankheitsgeschichte ein. Anschließend wählt CrowdMed aus seinem Teilnehmerpool rund 100 sogenannte Medical Detectives aus, die den Fall bewerten. Die „Konsensdiagnose“, die aus diesen Bewertungen erstellt wird, kann der Patient dann seinem Arzt vorlegen.
15 Prozent solcher Gesundheitsanwendungen werden nun sogar speziell für das Fachpersonal entwickelt. Handys und Tablet-PCs spielen nämlich auch für Ärzte, Therapeuten und Pflegepersonal eine immer wichtigere Rolle. Seit letztem Jahr dürfen Ärzte in Großbritannien nun Gesundheitsapps an die Patienten verschreiben.
Geburt eines neuen Geschäftszweigs
Aus den vorangegangenen Beispielen wird klar ersichtlich, dass sich nicht nur das Gesundheitswesen in einer Revolution befindet, sondern dass auch das Arzt-Patienten Verhältnis komplett neu definiert und positioniert wird. Lange Wartezeiten beim Arzt sind nicht mehr notwendig – man lässt die Apps ihre Arbeit verrichten!
Die Schattenseiten dieser Methoden liegen jedoch auf der Hand – Menschen können bei Gesundheitsfragen schlichtweg nicht von Maschinen ersetzt werden! Ganz zu schweigen davon, dass sich eine Vielzahl der Gesundheitsapps erst in den Kinderschuhen befinden und zum Teil nichts weiter als ein Gag darstellen.
Trotzdem untermauern Portale, wie CrowdMed, die Idee einer fortschreitenden Digitalisierung des Gesundheitswesens. Führende Mobile Health Anbieter in den USA erreichen bereits mehr als drei Millionen kostenlose Downloads und 300.000 bezahlte Downloads auf der iOS-Plattform. Die Reichweiten verdeutlichen das wachsende Geschäftspotenzial für mobile Gesundheits-Apps, welche wohl schon in naher Zukunft unseren Alltag zum Teil bestimmen werden.
Mensch vs. Maschine
Diese Revolution, die laut Experten schon begonnen hat, lässt einen Punkt stark außer Acht: Die Gesundheit des Menschen darf nicht zu einem Geschäftszweig der digitalen Branche werden. Durchaus können zuverlässige Diagnose-Apps hilfreich sein und den Menschen bei harmlosen Krankheiten vor langen Wartezeiten und Fehldiagnosen bewahren. Auch Anwendungen, die einen Diabetiker durch den Alltag begleiten, können sowohl für Patienten als auch für die Ärzte eine Erleichterung bedeuten. Doch inwieweit lässt sich der zunehmende Ärztemangel durch Applikationen beheben? Werden digitale Geräte in Zukunft tatsächlich einen Arzt komplett ersetzen können, sodass wir nicht mehr von einer Patient-Arzt-Beziehung, sondern von einer Patient-Gerät-Beziehung sprechen werden?
Im Allgemeinen befindet sich diese Entwicklung lediglich im Anfangsstadium und es bleibt abzuwarten, wie sich dieser Zweig entwickelt und in welche Richtung unser Gesundheitswesen gelenkt wird. Nichtsdestotrotz wird eine Maschine niemals die menschliche Präsenz und das Mitgefühl eines Arztes ersetzen können und dürfen.
Bilder: flickr/12905355@N05 (CC BY-NC 2.0), flickr/umich-msis (CC BY 2.0)
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