USA: Midterm-Wahlkampf

von Philipp Humpert

Midterms in Michigan – Klausuren und Wahlkampf

Die Hälfte Obamas zweiter Amtszeit ist vorüber. Am vergangenen Dienstag waren 310 Millionen US-Amerikaner aufgerufen, in den Midterm-Wahlen Teile des US-Senats und weitere Ämter neu zu bestimmen. Währenddessen musste ich, ein Austauschstudent in Ann Arbor, Michigan, mich auf Midterms ganz anderer Art vorbereiten: zur Hälfte des Semesters stehen traditionell Klausuren an. Während die Antworten an der Uni eindeutig sein sollten, fiel es vielen Amerikanern schwer, sich klar zu positionieren.

 

Sie haben die Wahl: Esel oder Elefant?

Am späten Dienstagabend stehen die Sieger fest: Die „Grand Old Party“ der Republikaner konnte eine Mehrheit im Senat erringen. Die „Republican Wave“ rollt durch das Land und der Präsident ist in vielen politischen Fragen ab sofort auf ihre Zustimmung angewiesen.

Doch trotz des klaren Ergebnisses bleibt die Wahl ambivalent: Zweifellos, die Demokraten waren am Ende unterlegen (Washington Post, 05.11.14), dennoch: Während auf nationaler Ebene viele Stimmen zu den Konservativen wanderten, entschieden die Wähler über Angelegenheiten innerhalb der einzelnen Staaten deutlich liberaler: Themen wie die Legalisierung von Marihuana, gleichgeschlechtliche Ehen, höhere Mindestlöhne und Waffenkontrolle erfuhren bei der Neubesetzung lokaler Ämter viel progressiven Zulauf (VoxNews, 05.11.14).

Der übergreifende Tenor der Medien ist, dass die Republikaner weniger aufgrund ihrer Inhalte gewannen, sondern dass die Wähler vielmehr eine Nachricht in Richtung der Obama-Regierung senden wollen: „Washington doesn’t listen, Washington doesn’t lead and Washington doesn’t deliver.“ (NYtimes, 06.11.14). Zwar  wird die regierende Partei während der Midterms traditionell ohnehin abgestraft, diesmal jedoch ist der Wählerärger besonders groß: Der von Obama angekündigte Wandel ist in Zeiten innenpolitischer Unsicherheit und internationaler Instabilität (nicht ohne Zutun der Republikaner) nicht eingetreten (NBC News, 07.11.14). Deren Erstarken ist daher weniger ihr eigener Verdienst, sondern vielmehr dem allgemeinen politischen Stillstand geschuldet.

Obama reagierte entsprechend: „I hear you“, sagte er zu den Wählern am Tag nach der Wahl (Video der Ansprache). Dennoch werden sich die Demokraten in Zukunft bei Reizthemen wie Obamacare, Auslandseinsätzen des Militärs, Immigration und sozialer Sicherung vom politischen Gegner weiterhin kaum Unterstützung erhoffen können.

 

„Zwei Wahlzettel, bitte“

Neben der Wahl zum Senat und dem Haus der Repräsentanten hatten die Bürger in einigen Staaten auch die Möglichkeit, über das Amt des Gouverneurs neu zu entscheiden, so auch in Michigan. Die Ergebnisse in den einzelnen Staaten verstärken den ambivalenten Ausgang der Wahlen. Während Michigans republikanischer Gouverneur Rick Snyder sein Amt verteidigen konnte, kam es bei der Wahl des Senators überraschenderweise zu einem Sieg des demokratischen Kandidaten Gary Peters (Michigan Daily, 05.11.14).

Als ich mich mit Kommilitonen über die Wahl unterhalten habe, sagten viele, dass sie mit dem Zwei-Parteien System grundsätzlich unzufrieden sind. Da die Wahlfreiheit praktisch auf ein Ja oder ein Nein zu einer Regierung beschränkt ist, fokussierten viele sich stärker auf Kandidaten und Themen als auf eine Partei. Das Ergebnis ist ein sogenannter „two-ticket turnout“: Viele Menschen wählen sowohl Republikaner als auch Demokraten in unterschiedliche Ämter, je nachdem, um welche Inhalte es sich handelt.

Wenngleich sich diese Entwicklung auch eine Möglichkeit ist, dem Wähler eine mächtigere Stimme im eindimensionalen US-Wahlsystems zu verleihen, kann sie praktisch  der Blockierung der beiden Parteien nicht entgegenwirken. Prof. Mike Traugott vom Political Science Department der University of Michigan sagt: „We’re in for two years of severe gridlock in Washington. If we thought the current congress was unproductive, it will be nothing compared to the next one.” (Michigan Daily, 05.11.14).

 

A Road to Change?

Die politische Landschaft der USA ist weiterhin von rot-blauen Gegensätzen geprägt. Die Wahlbeteiligung erreichte kaum 40%, die Frustration der Wähler steigt. Auch auf dem Campus der University of Michigan sind viele Studenten unzufrieden. „Es ist unmöglich, einen echten Wandel herbeizuführen, solange die Parteien nur aufeinander rumhacken, anstatt die Probleme anzugehen, die dieses Land hat“, sagt mir eine Kommilitonin. Die USA stehen weiter vor großen Herausforderungen, und die Präsidentschaftswahlen 2016 dämmern schon am politischen Horizont.

 

Foto: wikimedia.org/ Jnn13 (CC BY-SA 3.o)

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