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Lineares Radio

Vom Aussterben bedroht?

Von Nadja Lämmle

Mit nur einem Klick stehen Nutzerinnen und Nutzern von Spotify, Apple Music, Deezer und Co. rund 80 bis 100 Millionen Songs zur Verfügung. Und auch sonst bieten die Musik-Streaming-Dienste alles, was das Herz von Hörbuch- und PodcastFans höherschlagen lässt. Kann das lineare Radio da noch mithalten? 

Musik-Streaming-Dienste wie Spotify bieten alles, was das Nutzer*innen-Herz begehrt. Bild: Pixabay

Egal ob es die passende Playlist für eine Geburtstagsparty oder für den langersehnten Roadtrip ist: Musik-Streaming-Dienste wie Spotify haben schon viele von uns zu Hobby-DJs gemacht. Und wenn man mal ehrlich ist, muss man dafür nicht einmal musikalisch talentiert sein. Gibt man beispielsweise „80s Party“ in die Suchspalte ein, so werden der Nutzerschaft in Sekundenschnelle hunderte passende Playlists angezeigt. Ein Klick auf Play und für den Rest des Partyabends ist für die Musik gesorgt. Entdeckt man einen neuen Lieblingssong, dann landet dieser mit einem weiteren Klick im Handumdrehen in der selbst erstellten Playlist. Für die, die immer uptodate bleiben wollen, bieten die Musik-Streamingdienste eine große Auswahl an Nachrichtenpodcasts. Darüber hinaus kann die Hörerschaft zwischen vielerlei Kategorien, wie Dokus und Reportagen, Comedy oder True Crime Podcasts wählen. Bei so vielen Auswahlmöglichkeiten, bleibt doch eigentlich nur noch die Frage: Wo ist denn da jetzt der Haken?

Nachteile des Musik-Streamings

Zum einen hat die werbefreie Nutzung der Musik-Streaming-Dienste seinen Preis. Die meisten Abonnements fangen momentan bei einem monatlichen Beitrag von 4,99 Euro für Schüler*innen und Studenten*innen an und ziehen sich je nach Anbieter bis 16,99 Euro im Monat für einen Familienaccount. Zum anderen hat man nicht den gleichen Zugriff auf die Musiktitel und Podcasts, wie etwa bei dem Kauf einer CD. Das heißt, wenn zum Beispiel eine Copyright-Verletzung oder eine veränderte Lizenzvereinbarung vorliegt, dann verschwinden diese Titel aus sämtlichen Playlists und man hat keinen Zugriff mehr auf sie.

Es kann aber auch vorkommen, dass ein Song oder ein Podcast nur bei ausgewählten Streamingdiensten zu hören ist. Wenn ein Podcast beispielsweise bei Apple Music verfügbar ist, bedeutet das nicht automatisch, dass man diesen auch bei Deezer konsumieren kann. Mit dem Ablauf des Abos entfallen zeitgleich sämtliche Zugriffsrechte auf Musiktitel. Wer jetzt denkt, er könne diese Nutzungsbedingung umgehen und Tracks einfach auf einen USB-Stick ziehen oder eine CD brennen, der hat sich geschnitten. Denn ein Kopierschutz sorgt dafür, dass sich niemand kostenfrei ein privates Musikarchiv zusammenstellen kann.  

Hinzu kommt, dass man eine Internetverbindung benötigt, um Titel anzuhören, die man nicht im Voraus heruntergeladen hat. Zu beachten gilt es außerdem, dass Daten zum Nutzungsverhalten von den Streamingdiensten getrackt und weiter verarbeitet werden.

„Diese Daten lässt sich keiner entgehen, um Nutzerverhalten zu kriegen, auf bequemste Weise Einschaltquoten messen zu können, genau mitzukriegen: Bei welchem Lied schaltet jemand um? Wann kommt er zurück?“

meint auch Olaf Korte vom Frauenhofer-Institut in Erlangen. Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow weist zudem darauf hin, dass die non-lineare Audionutzung für viele Menschen eine Herausforderung darstellen kann. Dahingegen sei das Radio ein niedrigschwelliges Medium, mit dem man Menschen unterschiedlicher Generationen oftmals barrierefrei erreichen könne, so Buhrow. 

Zahlen, Daten und Fakten

Vor allem jüngere Musik-Hörer*innen zwischen 14 und 29 Jahren konsumieren Audioinhalte regelmäßig über Streaming-Dienste. Bild: Pixabay

Ein Blick in die Grundlagenstudie „Massenkommunikation Trends 2022“ der ARD und des ZDFs verrät: Die Audionutzung insgesamt nimmt im Alltag der Deutschen einen hohen Stellenwert ein. „Vier von fünf Personen ab 14 Jahren nutzen täglich Audioinhalte“, halten Lothar Mai und Dennis von Oehsen in dem Bericht fest. Bei der Befragung von rund 2000 Menschen ab 14 Jahren kam heraus, dass das wöchentliche Konsumieren von Podcasts, Musik-Streaming-Diensten und Hörspielen seit dem Jahr 2019 kontinuierlich zunimmt.  

Interessant ist auch ein Blick auf die unterschiedlichen Altersgruppen der Nutzerschaft. Die 50- bis 69-Jährigen liegen mit 90 Prozent regelmäßiger Nutzung an der Spitze des Radiohörens. Danach folgt die Altersgruppe 70+, gefolgt von 30- bis 49-Jährigen. 14- bis 29-Jährige belegten mit 63 Prozent regelmäßiger Radio-Nutzung den letzten Platz. Bei dem Gebrauch von Musik-Streaming-Diensten war die jüngere Altersgruppe dafür mit 78 Prozent ganz vorne mit dabei. Auch bei den 30- bis 49-Jährigen sind Spotify, Apple Music und Co mit 57 Prozent regelmäßiger Verwendung beliebt. 

Keine Bange um den Klassiker

Auch wenn die non-lineare Audionutzung stetig weiter ansteigt und der Markt immer digitaler wird, dominiert das klassische Radio weiterhin den Audiomarkt. Unterstrichen wird das eindrücklich durch das Ergebnis der Grundlagenstudie bei der Analyse der täglichen Audio-Nutzungsdauer. Hierbei kam heraus, dass das Radio für 75 Prozent der gesamten Audionutzung verantwortlich ist. Wie stark sich der Trend zur non-linearen Audionutzung in Zukunft fortsetzen wird und „ob es eine stärkere Verschiebung vom linearen Radio hin zu digitalen zeitversetzten Audioformen geben wird“, bleibt abzuwarten, halten Mai und von Oehsen abschließend fest. Aktuell sei die Angst vor dem langsamen Aussterben des klassischen Radiohörens unbegründet, fahren sie fort. Für Radiosender können On-Demand-Angebote wie Podcasts jedoch auch eine große Chance bedeuten, um beispielsweise neue Zielgruppen zu generieren. 

Quellen:

Mai, Lothar/Dennis von Oehsen (2022): Ergebnisse der ARD/ZDF-Massenkommunikation Trends 2022 : Radio- und Audionutzung weiterhin auf hohem Niveau, in: Media Perspektiven, Nr. 9/2022, S. 439–445, [online] https://www.ard-media.de/fileadmin/user_upload/media-perspektiven/pdf/2022/2209_Mai_von-Oehsen.pdf. 

Radke, Jeremias/Johannes Schuster (2015): Pro & Contra: Macht Musik-Streaming glücklich?, heise online, [online] https://www.heise.de/meinung/Pro-Contra-Macht-Musik-Streaming-gluecklich-2763546.html [abgerufen am 12.01.2023]. 

Schneider, Annika (2021): DAB+ vs. Streaming – Wie das Radio der Zukunft aussieht, Deutschlandfunk, [online] https://www.deutschlandfunk.de/dab-vs-streaming-wie-das-radio-der-zukunft-aussieht-100.html [abgerufen am 13.01.2023].