Wenn ich jemanden zum Lachen bringe, bin ich da wo ich hinwill – Ein Interview mit Frau Kirschvogel

Von Marius Lang und Joachim Schmid

Veronika Mischitz oder auch Frau Kirschvogel ist Diplombiologin, Vogelfreundin und freie Illustratorin. Für die Helmholtz Gemeinschaft veröffentlicht sie als Autorin und Zeichnerin seit 2014 monatlich den Wissenschaftscomic KLAR SOWEIT?.

Veronika lebt und arbeitet in der Nähe von Karlsruhe, wo wir sie und ihren Hund besucht haben, um mit ihr über ihre Arbeit, Comics und Wissenschaftskommunikation zu reden. Welche Rolle Humor dabei spielt und was Wespen damit zu tun haben, haben wir im Gespräch mit ihr erfahren.

Veronika, ein gängiges Vorurteil über Comics ist ja, dass sie eher Kinder und Jugendliche ansprechen. Aber deine Comics sind von den Themen her teils sehr anspruchsvoll. Wie sieht deine Zielgruppe aus?

Also, Kinder sprechen wir tatsächlich nicht an. Klar, es gibt immer wieder Eltern, die mir erzählen, dass ihr Kind ein bestimmtes Comic toll fand, aber eigentlich richten wir uns explizit an Erwachsene. Das können dann auch Menschen mit unterschiedlichem Vorwissen und Bildungsniveau sein. Comics gelten ja als ein niedrigschwelliges Medium, dass man unter Umständen lieber in die Hand nimmt als ein Buch oder eine Zeitschrift mit viel Text. Und wenn ich einen Comic lese, dann picke ich mir immer erstmal das raus, was ich verstehen kann, deswegen ist viel Vorwissen nicht wichtig. Da gibt es auch Abhandlungen in der Comicforschung darüber.

Aber Comics sind ja nun nicht etwas, woran man gleich denkt, wenn es um Wissenschaftskommunikation geht. Warum glaubst du, eignen sich Comics trotzdem gut dazu?

Also einen Vorteil sehe ich darin, wie Comics funktionieren, als visuelles Medium. Sie erzählen eine dynamische Geschichte in Bildern die aufeinander folgen. Sie haben also einen Lesefluss und dem folgt man. Dann gibt es noch eine emotionale Ebene, auf der ich die Leser anspreche. Ich habe die Möglichkeit mir eine Figur auszudenken, mit der sich die Leser identifizieren können. Auf der anderen Seite sind sie aber auch ein sehr grafisches Medium, bei dem die Komposition eine große Rolle spielt, sowohl bei der Bildgestaltung als auch bei der Seitenkomposition.

Diese Vernetzung finde ich spannend für die Wissenschaften, weil man viele Elemente einbringen und diese visuell nochmal besonders hervorheben und  verknüpfen kann. Viele wichtige Details oder Nebeninformationen, die in Worten beschrieben zu viel Raum wegnehmen würden, kann ich in Comics einfach visuell unterbringen. Außerdem hilft es, dass bei Comics meist der Unterhaltungsfaktor im Vordergrund steht.

Gibt es auch Vorteile gegenüber Videos?

Auf jeden Fall! Da rauschen die Informationen sehr schnell an einem vorbei, man muss also nicht so aktiv mitarbeiten. Da kann es passieren, dass man die Inhalte gar nicht so mitbekommt oder nur die Inhalte, die so prägnant aufgearbeitet sind, dass man sie mitbekommt und sie so hängen bleiben können. Die Gefahr ist groß, dass man sich berieseln lässt.

Und das kommt bei Comics nicht vor?

Man kann eben ein Panel immer wieder oder auch lange betrachten und sich Zeit lassen, das Comic zu lesen. Beim Video ist das nicht so leicht. Da muss ich vor- und zurückspulen, mit bestimmte Sequenzen immer wieder ansehen, um die Information wirklich herauszuarbeiten. Ich fände es spannend zu wissen, wer das wirklich so macht. Trotzdem ist Video ein sehr ansprechendes und auch wichtiges Format für die Wissenschaftskommunikation. Ich würde als Wissenschaftsorganisation immer alle Kanäle bespielen: Video, Podcasts, Social Media… aber eben auch Comics.

Welche Rolle spielt das Narrative bei einem Wissenschaftscomic?

Die Story ist wahnsinnig wichtig. Für mich steht die im Vordergrund. Denn Leute interessieren sich einfach für die Geschichte anderer Menschen. „People are interested in people“. Und ich finde, diesem Prinzip kann man sich nicht entziehen. Wenn ich also Interesse wecken will, dann gelingt das am einfachsten über einen Kniff, indem ich sage: „Hey, ich habe eine Geschichte. Mir passiert irgendwas. Ich empfinde irgendwas.“ Dann kann ich da die wissenschaftlichen Informationen mit einflechten.

Wie bist du überhaupt dazu gekommen, Wissenschaftscomics zu zeichnen?

Ich bin ja Diplombiologin. Aber ich habe dann schon während meiner Diplomarbeit gemerkt, dass die Bereiche Forschung, Industrie oder auch Lehre eigentlich nichts für mich sind. Was mir aber das ganze Studium hindurch immer Spaß gemacht hat, war es neue Inhalte zu erarbeiten. Und parallel hab ich gezeichnet. Dann auf einer Comicmesse saß ich mal mit Kollegen zusammen, die gesagt haben: „Mensch, warum bist du eigentlich nicht Illustratorin oder Comiczeichnerin?“ Da dachte ich: „Ja, wieso eigentlich nicht?“ Ich hab mich dann 2009 selbstständig gemacht mit dem Alleinstellungsmerkmal, Naturwissenschaften und Illustrationen miteinander zu verbinden.

Du kommst selber aus der Wissenschaft und hättest die Inhalte auch rein textlich aufarbeiten können aber genauso rein narrative Comics erzählen können. Wieso diese Hochzeit?

Das gab es zu diesem Zeitpunkt einfach nicht. Das war und ist, zumindest im deutschsprachigen Raum, etwas Neues. Es gibt international Künstler, die Wissenschaftscomics machen und die in „Nature“ publiziert werden. Oder die sogar den Eisner-Preis gewinnen. In Deutschland ist das aber noch ein relativ unbeschriebenes Blatt. Also mit dem Umfang und der Ausrichtung macht das eigentlich niemand bei uns. Das ist mein Alleinstellungsmerkmal und allein aus betriebswirtschaftlicher Sicht schon total sinnvoll. Zudem ist es immer gut die Erste zu sein. So kann man diesen Bereich vorantreiben und auch mitgestalten. Wissenschaftscomics sind auch wirklich eine Nische die gefüllt werden sollte. Ich merke, dass das Interesse stetig zunimmt.

Und ist die Helmholtz Gemeinschaft dann auf dich zugekommen?

Nein, es gab eine offizielle Ausschreibung. Sie haben einige Comiczeichner*Innen  angeschrieben und eine davon sagte: „Nein ich kann nicht aber frag mal die Veronika. Das dürft eigentlich passen.“ Also hab ich mich darauf beworben, ein Beispielcomic und Konzept geschickt und das hat dann überzeugt.

Welche Herausforderungen siehst du bei der Wissenschaftskommunikation?

Also eine ganz große Schwierigkeit sehe ich darin, dass man sich verzettelt. Dass es einem nicht gelingt, die Dinge so stark zu vereinfachen und so weit herunter zu brechen, das sie auch wirklich von vielen Menschen ohne weitreichende Kenntnis der Materie verstanden werden. An den Kommentaren merke ich ganz gut, ob ein Thema verständlich aufgearbeitet wurde, oder ob wir in bestimmten Punkten noch präziser, noch unmissverständlicher formulieren müssen.

Eine weitere Gefahr besteht dann, wenn das direkte Feedback ausbleibt. Wenn man sich auch selbst nicht hinterfragt und schaut, ob man erreicht, wen man erreichen wollte. Kommuniziere ich nur in meiner Bubble der „Wissenschafts-Nerds“ oder lesen das auch andere? Wir wollen das wirklich raustragen in die Bevölkerung. Dann aber an der Bevölkerung auch wirklich dran zu bleiben, sie zu erreichen, das ist eine große Herausforderung. Ich glaub da muss man schon ein spezielles Augenmerk darauf haben und da braucht man entsprechende Formate.

Welche Rolle spielt Humor dabei?

Eine sehr große. (lacht)

Und wie viel Humor verträgt Wissenschaft?

Ich glaube schon, dass sie einiges vertragen kann. Da sind wir auch in der Verantwortung als Nicht-Wissenschaftler beziehungsweise Kommunikatoren. Ich glaube, als Wissenschaftler ist man eher ein bisschen zurückhaltend, denn vieles wird sofort angezweifelt. Da will man sich vielleicht nicht auf unbekanntes Terrain begeben und die Welt der Fakten verlassen um irgend einen Witz rauszuhauen, der dann vielleicht nicht zu hundert Prozent korrekt ist. Wir Kommunikatoren können das machen und ich finde, das ist auch unsere Aufgabe. Wenn ich jemanden zum Lachen bringe, dann bin ich eigentlich schon genau da wo ich hinwill. Dann habe ich die ersten Widerstände elegant überwunden.

Du hast vorhin gesagt, du wolltest eigentlich nicht in die Lehre gehen, aber jetzt unterrichtest du ja irgendwie trotzdem….

Ja, ich wollte nicht in die Schule gehen. Ich finde es sehr schön, wenn ich Leuten was beibringen kann. Ich hab ja vorhin auch gesagt, am meisten Spaß macht es mir, wenn ich mich für ein Thema begeistere und diese Begeisterung dann weitergeben kann. Ich habe letztes Jahr zum Beispiel viele Wissenschaftscomic-Workshops gemacht. Das macht Spaß und man bekommt direkte Rückmeldung.

Wie suchst du dir deine Themen aus?

Ich informiere mich im ersten Schritt online auf Websites oder direkt über Social Media, was an aktueller Forschung gerade interessant ist und was im Fokus steht. Dann gibt es aber auch viele Themen, die ich persönlich spannend finde. Zum Beispiel der Comic über Wespen. Das war eine Geschichte, die ich unbedingt erzählen wollte. Ich schau zunächst aber immer ob sich ein Thema überhaupt eignet. Es muss schon eine potentielle Story darin erkennbar sein. Auch muss es etwas sein, von dem ich glaube, dass es irgendwen da draußen interessieren könnte oder zumindest nicht so langweilig ist, dass die Leute beim Lesen gleich wieder wegklicken.

Ein Comic von Frau Kirschvogel

Und gibt es einen festen Plan, welches Comic wann kommt oder bist du da auch frei?

Dadurch, dass wir Monat für Monat arbeiten, behalten wir uns immer auch die Freiheit vor, dass wir Themen vorziehen. Zum Beispiel die Wespen. Für den August hatten wir eigentlich ein anderes Thema geplant. Aber Wespen, über die MUSS man im August schreiben, wenn besonders viele davon unterwegs sind. Wir schauen auch, dass es ein bisschen ausgewogen ist. Also, dass nicht drei Physik-Comics hintereinander veröffentlicht werden. Henning, der verantwortliche Social Media Manager bei Helmholtz, hat auch Themen, die ihn interessieren und wir prüfen ob sie sich umsetzen lassen. Wir sprechen jedes Thema ab und wenn beide sagen „Okay, kann ich mir vorstellen,“ dann machen wir das.

Liegt die Recherchearbeit ganz bei dir?

Ja, ich recherchiere alleine. Einen Zugang zu finden, kann je nach Thema schnell gehen oder eben auch kompliziert sein. Meine wissenschaftlichen Vorkenntnisse machen das oft einfacher. Ich kann durchaus mal ein Paper lesen, und schauen, wie ich die Originalaussagen vereinfachen könnte. Das ist schon sehr hilfreich. Und ich spreche auch immer wieder mit Fachleuten, weil ich mir sicher sein möchte, dass das was ich mir da erarbeitet habe, auch richtig ist.

Also gehören auch Experteninterviews zur Recherche?

Genau, die bieten eine zusätzlichen Zugang zum Thema. Die Experten werden dann erwähnt und auf der Helmholtz-Seite verlinkt.

Wie ist die Resonanz?

Wir kriegen die meisten Interaktionen und das größte Feedback, wenn wir direkt in unserem Social Media Feeds posten. Wir posten es im Blog in der dritten Woche im Monat und dann eine Woche später nochmal auf Social Media, komplett zum nachlesen. Die Resonanz ist über die sozialen Medien direkter als über den Blog. Am direktesten sind aber die Events, auf denen man sich gegenüber steht. Also bei Ausstellungen oder auf Comicmessen wie dem Comicsalon, wo ich dieses Jahr mit dem Wissenschaftscomic einen eigenen Stand hatte und dann vier Tage lang nur mit den Leuten darüber gesprochen habe, was wir eigentlich machen. Da konnte ich jedem ein Gratisheft in die Hand drücken und das war dann natürlich auch toll.

Was bringt für dich die Zukunft? Woran arbeitest du gerade?

Zur Zeit habe ich mehrere Projekte. Da ist zum Beispiel ein Sammelband meiner Wissenschaftscomics in Arbeit. Ich habe von Anfang an gesagt, dass sowas sinnvoll ist, weil es online so viele Inhalte gibt, die dich ablenken können. Ein Comicbuch nimmt man immer mal wieder zur Hand, blättert herum, schlägt nach. Außerdem arbeite ich an einem neuen Comic über Birdwatching, der 2019 erscheinen wird. Ich erstelle für verschiedene Auftraggeber auch medizinische Aufklärungscomics. Da geht es entweder darum, Patienten den Ablauf eines bestimmten Eingriffes zu erklären oder zum Beispiel medizinische Studien so aufzuarbeiten, dass ihre Kernaussagen wirklich verständlich rübergebracht werden.

 

Der Podcast der kreativen Art:
Hörspiel von Marius und Joachim