Spiritualität statt Schmink-Tutorial

– Was hat es mit Bianca Heinicke als “Sinnfluencerin” auf sich? (Teil 1)

Von Veronika Gruschwitz

Was ehemals Pranks, Tutorials und Fast-Fashion-Hauls waren, sind heute eher Achtsamkeitstagebücher, Meditationsübungen und Yoga. Betrachtet man die durchschnittlichen For-You-Pages, wird deutlich, dass sich die Themen geändert haben. Spätestens seit der Corona-Pandemie sind die sogenannten „Sinnfluencer” nicht mehr wegzudenken. Eines der prominentesten Beispiele ist hierfür sicherlich Bianca Heinicke, ehemals bekannt als „Bibis Beauty Palace”.

Die Karriere der erfolgreichsten deutschsprachigen Content-Creatorin hat vor circa 14 Jahren begonnen. Zu den anfänglichen Youtube-Videos kamen schnell große Werbedeals, eine eigene Kosmetiklinie und sogar ein eigener Song hinzu. Bekannt war „Bibis Beauty Palace” damals vor allem für unterhaltsamen, aber häufig recht oberflächlichen Content. Eine große Rolle spielte zudem ihr damaliger Freund „Julienco”. Mit ihm zusammen präsentierte sie die langjährige Beziehung, die Verlobung und Hochzeit und schließlich sogar die beiden Kinder auf Social Media.

Als das Paar im Mai 2022 die Trennung verkündete und nach Fremdgeh-Gerüchten ein Shitstorm auf Bianca Heinicke losbrach, zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück. Erst am Neujahrstag 2024 meldete sich die Berühmtheit bei ihren Fans zurück und kündigte an, von nun an als „Bianca Heinicke” einen völlig anderen Weg einzuschlagen.

Bianca Heinicke, damals “Bibis Beauty Palace”, im Jahr 2017.


Bianca Heinicke nach ihrer Rückkehr, am 03. August 2024.

Bianca Heinickes Rückkehr-Statement vom 1. Januar 2024.

Wie sieht “Zu sich selbst finden” auf Instagram aus?

In ihrem Rückkehr-Statement spricht sie davon, dass ihr Privatleben so sehr mit Social Media verschmolzen gewesen sei, dass sie so nicht mehr konnte und wollte. Sie habe sich in ihrer Auszeit intensiv mit sich selbst auseinandergesetzt und entschieden, ihr Leben zu entschleunigen und sich mit ganz anderen Themen, wie Achtsamkeit und Gesundheit, auseinanderzusetzen.

Gesagt, getan! Mit dieser Devise scheint die Influencerin von nun an zu arbeiten. Betrachtet man ihr Instagram-Profil, könnte man meinen, sie habe versucht, darauf Yin und Yang, das Konzept der Dualität der Existenz, darzustellen.

Die Fotos, die sie vor ihrer Social-Media-Pause dort hochgeladen hatte, zeigen die junge Mutter in sexy Posen in typischer Instagram-Manier, im Urlaub in Las Vegas oder mit in Szene gesetztem Babybauch. Nach dem Posting am Neujahrstag allerdings wird deutlich, dass sich nicht nur ihr Kleidungsstil, sondern auch ihre Interessen geändert haben. Von dem Statement, sich von nun an nicht mehr rasieren zu wollen, über vegane Rezepte und Meditation bis hin zu der Vorstellung ihres neuen Podcasts „SinnSafari“ dreht sich alles um tiefgründige Themen.

Wie reagieren die Fans?

Mit 8,3 Millionen Follower*innen auf Instagram erreicht Bianca Heinicke ein großes Publikum, dem sie die Bücher und Weisheiten nahebringen kann, die ihr bei der Reise zu sich selbst geholfen haben.

Liest man sich die Kommentare unter den Beiträgen durch, stößt man auf gemischte Reaktionen. Zunächst war die generelle Freude über die Rückkehr des Youtube-Stars enorm. Auch nach dem ersten Yoga-Video im heimischen Garten kommentieren die meisten Follower*innen wohlwollend. Allerdings mischen sich schon hier ein paar Stimmen unter die Menge, die kritisieren, dass eine solche Achtsamkeit und Selbstfokussierung nur möglich seien, wenn man nicht Vollzeit in einem normalen Job arbeiten würde.

Auswahl an Kommentaren unter besagtem Posting von Bianca Heinicke am 08. Juni 2024, Quelle: Instagram: https://www.instagram.com/biancaheinicke/

Reaktionen wie „Wieso ist die so ’ne Bio-Alnatura-Tante geworden?“ oder „Jetzt versteht jeder Julian” treten vermehrt unter dem Reel auf, in dem die 31-Jährige erklärt, sich nicht mehr rasieren zu wollen. Außerdem gibt es Kritik an der Entscheidung, den Podcast „SinnSafari” kostenpflichtig zu machen.

Generell bleibt die Zahl der Follower*innen auf dem Account allerdings sehr hoch und viele Kolleg*innen und Fans betonen, welche Inspiration Bianca Heinicke geworden sei.

Sind Sinnfluencer die neuen Influencer?

Bianca Heinicke ist längst nicht die einzige Influencerin, die versucht, ihren Fans Achtsamkeit und Bewusstsein näherzubringen. Content-Creator*innen, die ihre Reichweite nutzen, um Missstände anzuprangern, Gesellschaftskritik zu üben oder zu mehr Spiritualität zu verhelfen, nennen sich „Sinnfluencer”. Sie scheinen ein recht neues Phänomen zu sein, das im Kontrast zu den gängigen aufgehübschten Profilen vieler anderer Influencer steht – und das mit großem Erfolg!

Die Instagram-User*innen lieben diese neue Sinnhaftigkeit in ihrem Newsfeed. Die Followerzahlen besagter Creator*innen steigen immer weiter in die Höhe. Woher kommt dieses Verlangen nach Tiefgang und Spiritualität?

Bianca Heinicke zeigt vermehrt Meditations- und Yogaübungen auf ihren Kanälen, Quelle: Unsplash

Boom während Corona

Zwar gab es schon vor Corona erfolgreiche „Sinnfluencer“, jedoch scheint die Nachfrage nach derartigen Accounts während der Pandemie noch weiter gewachsen zu sein. Beispiele dafür wären etwa Luisa Neubauer, die ihr Profil dem Klimaschutz widmet, oder Maike Schöfer mit ihrem Account „ja.und.amen“, auf dem sie sich mit gesellschaftspolitischen Themen unter Einbezug ihrer religiösen Herkunft beschäftigt.

Auch Profile zu Meditation und Spiritualität wie „wie“smiles.and.green.life” und Mady Morrison erlebten in dieser Zeit einen wahren Boom. Es scheint also, als hätten die Nutzer*innen während der Kontaktbeschränkungen und durch die unsicheren Zukunftsaussichten einen verstärkten Drang nach Veränderung gehabt. 

Mady Morrison dehnt sich, Posting vom 27. Oktober 2024.

Suche nach Entschleunigung, Sinn und Veränderung

Was damals dringend gebraucht wurde, waren wohl einerseits die intensive Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Missständen und andererseits Vorschläge zum Entspannen und Entschleunigen. Außerdem suchten viele Menschen in den sozialen Medien nach Kreativität und Wegen, zu sich selbst zu finden. Instagram stellte somit den virtuellen Ersatz für Yoga-Stunden, Malkurse und teilweise wohl auch Therapiestunden dar. Im Zuge dessen veränderten sich auch die Schwerpunkte der Influencer bzw. bekamen andere Profile eine größere Aufmerksamkeit.

Wie kann diese Entwicklung wissenschaftlich erklärt werden? Was sind mögliche Gefahren, die diese Sinnfluencer mit sich bringen? Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich der zweite Teil dieses Artikels, den ihr unbedingt im Anschluss lesen solltet.