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Wenn du gut bist, kommst du schnell ganz nach oben!

Die Social-Media-Masche der Network-Marketing-Firmen

Von Verena Schmid

„Menschen kaufen am liebsten das, was ihnen Freunde persönlich empfehlen.” Ein Satz des Tupperware CEOs Rick Goings in einem Interview mit dem Handelsblatt. Vertreter*innen von sogenannten Network Marketing Firmen nutzen die sozialen Netzwerke besonders gerne, um neue Kund*innen bzw. neue Vertreter*innen anzulocken. Und sie nutzen die Strategie der persönlichen Weiterempfehlung. Meine Artikelreihe beschäftigt sich mit Aspekten des Online Marketings. In diesem Beitrag möchte ich klären, wie genau diese Art des Marketings funktioniert und was der Reiz für viele daran ist.

Vor einer Weile bekam ich von einer fremden Frau eine Nachricht bei Instagram. Sie fragte mich, ob ich Interesse daran hätte, bei dem Unternehmen „JuicePlus“ als Vertreterin mit einzusteigen. Sie war außerordentlich nett und lobte die Bilder in meinem Feed. Damit passe ich sehr gut in das Schema des Unternehmens. Ich könne als Influencerin bei ihnen durchstarten und mir leicht etwas dazu verdienen. Ich wurde neugierig.

Social Media als ideale Plattform für neue Mitglieder

Dieser Anwerbe-Versuch war nicht der erste. Wahrscheinlich haben sogar die meisten aktiven Social-Media-Nutzer*innen schon solche oder ähnliche Angebote bekommen. Bisher habe ich nie darauf reagiert, doch diesmal wollte ich es genauer wissen: Was steckt dahinter? Was sind das für Produkte oder Dienstleistungen? Und was genau habe ich davon, wenn ich dort mitmache? Ich fragte also bei der jungen Frau genauer nach.

Die Masche der Networker fängt häufig in unseren sozialen Netzwerken an. Bildquelle: YouTube/“Y-Kollektiv“

Zunächst fragte sie mich, ob ich bereits Erfahrungen als „Influencerin“ habe und schon auf Social-Media Werbung für Produkte und Dienstleistungen gemacht habe – natürlich nicht. Sie erklärte mir, man müsse man sich nur ein wenig für Fitness und Ernährung interessieren und ab und zu schöne Bilder hochladen. Das wars. Wenn es dann läuft, kann man ganz einfach neue Mitglieder akquirieren und sich so sein eigenes Netzwerk aufbauen. Und plötzlich schwebt das ominöse Wort „NETZWERK“ im Raum. Und hier liegt die Crux des Angebots, das sonst so verlockend leicht klingen mag.

Was ist überhaupt Network-Marketing?

Die junge Frau war eine Vertreterin eines Multi-Level-Marketing- oder Network-Marketings-Systems.  Das Internet ist voll mit solchen Vertreter*innen, die einem mit dem „super Produkt“ oder einem „leicht verdienten passiven Einkommen“ locken. Wenn man nach kurzer Zeit ganz oben kommt, ist es ein Selbstläufer und man muss nichts mehr tun. Das wird einem zumindest angepriesen. Klassische Direktvertriebsfirmen, wie die Haushaltsmarke Tupperware kennt wahrscheinlich jeder. Meistens verdienen diese Firmen durch Weiterempfehlung an Freunde oder direkten Verkauf im Haus des Kunden Geld. Network-Marketing hingegen wirbt damit, dass die Vertriebspartner auf selbstständiger Basis weitere Kunden anwerben können. In erster Linie geht es um ein Produkt oder eine Dienstleistung. Meistens sind es Produkte aus Bereichen der Ernährung, Fitness bzw. Wellness, Kosmetik oder auch (Finanz-) Dienstleistungen. Prinzipiell müssen Network-Marketing-Firmen nicht unbedingt schlecht sein.

Leicht verdientes Geld in kurzer Zeit?

Meine Ansprechpartnerin warb mich als Vertrieblerin an, bewarb aber auch ihre Produkte: Nahrungsergänzungsmittel, die das Leben nachhaltig verbessern sollen. Mit sogenannten Body-Challenges soll man dank Shakes und Kapseln innerhalb kurzer Zeit abnehmen. Es gibt also zwei Wege in solche Systeme einzusteigen: Entweder bin ich überzeugt von den Produkten und beziehe sie über die Vertreter*innen (also in etwa so, wie bei TupperWare). Oder ich verkaufe die Produkte selbst und werbe neue Partner*innen an. Das ganze Konzept dahinter klingt aber noch immer viel zu schön, um wahr zu sein. Was ist also daran jetzt kritisch zu betrachten?

Rechtliche Grauzone

Pyramidenartige Struktur bei Network-Marketing-Firmen. Bildquelle: selbststaendigkeit.de.

Das Stichwort heißt hier: Pyramiden- oder Schneeballsystem. Doch genau das sehen Verbraucherschützer*innen kritisch, denn grundsätzlich sind diese Systeme in Deutschland illegal. Doch die Grenzen verschwimmen, sodass die Unternehmen sich in rechtlichen Grauzonen bewegen. Pyramidensysteme sind nämlich so lange geduldet, wie der Verkauf der Produkte im Vordergrund steht, ohne den Eindruck zu vermitteln, allein oder hauptsächlich durch die Einbringung neuer Mitglieder Geld zu verdienen. In Pyramidensystemen steht an der Spitze eine mächtige Instanz, meistens die Unternehmen selbst. Von dort entwickeln sich die Stufen weiter. Auf der zweiten Ebene stehen Händler*innen. Das Geld, was sie verdienen geht zu einem gewissen prozentualen Anteil an die Spitze. Und so zieht sich das Konstrukt durch viele weitere Stufen. Jede*r auf einer Stufe, die über einer anderen steht, verdient in diesem Konzept. Das Konstrukt ist also vor allem von einer breiten Anzahl an Mitglieder*innen abhängig, um liquide bleiben zu können.

Ist alles Gold, was glänzt?

Die JuicePlus Mitarbeiterin wollte mir zwar die Produkte von JuicePlus verkaufen, gleichzeitig hat sie aber mit den Verdienstmöglichkeiten versucht, diesen Vertriebsweg schmackhaft zu machen. Trotz des Verbots, wird also sehr wohl mit den Möglichkeiten des Geldverdienens geworben.
Dass es am Ende wie immer nur um das Geld geht, zeigen auch die Produkte, die verkauft werden sollen. Im Falle der Ergänzungsmittel von JuicePlus gibt es viele Tests, die beweisen, dass die vermeintlichen Wundermittel keine Wirkung zeigen, sondern schlimmstenfalls sogar schlecht für den Körper sind. Man könnte genauso jeden Tag einen Apfel essen, um gesund zu leben. Ich möchte hier auf den sehr interessanten Beitrag des YouTube Kanals Y-Kollektiv zum Network-Marketing aufmerksam machen. Hier wird vor allem auf die Masche der Networker und auf die Inhaltsstoffe der Ergänzungsmittel eingegangen.

Lieber zweimal überlegen

Ich konfrontierte die junge Frau mit meinen Erkenntnissen. Auf die Frage, ob es sich bei JuicePlus um ein Schneeballsystem handelt, wich sie genervt aus und behauptete, dass es nicht so sei. Begründen konnte sie ihre Aussage nicht. Stattdessen schickte sie mir einen YouTube-Link, der alles erklären solle. Ich schaute das Image-Video der Firma und war entsetzt über die Dreistigkeit der Menschen. Das Video war wie eine Videokonferenz aufgebaut. Ein junger Mann erklärte, welche finanziellen Möglichkeiten der Einstieg bei JuicePlus bringen würde: „Wenn du gut bist, kommst du schnell ganz nach oben!“ Man könne sich durch die Arbeit im Network Marketing Dinge erfüllen, von denen man schon immer geträumt habe. Um die Produkte selbst ging es gar nicht mehr. Hier wurde das Ganze auch nur noch unseriös. Wahnwitzige Beträge wurden durch den Raum geworfen und Rechnungen aufgestellt, die nur schwer nachvollziehbar waren.

Wer mehr über den Lifestyle solcher Networker wissen will, sollte sich die Dokus von „reporter“ , „Y-Kollektiv“ oder „STRG.F“ anschauen. Ehemalige Mitglieder solcher Firmen berichten unter anderem von sektenähnlichen Speaker-Events, bei denen einem das Blaue vom Himmel versprochen wird. Ich meldete mich dann wieder bei der netten Instagram-Influencerin und lehnte ihr Angebot dankend ab. So, wie es jede*r normale Mensch tun sollte, um nicht in dubiosen Strukturen zu landen.

Quellen: