“Mit Ergebnissen zu begeistern ist auch irgendwie leicht.”
Ein Portrait über Dr. Jens Foell
Von Franziska Sieb
Dr. Jens Foell ist Wissenschaftskommunikator aus Leidenschaft und bringt sich mit seiner ansteckenden Begeisterung für Wissenschaft in einer ganzen Reihe von Projekten ein. So ist er Redakteur bei der Wissenssendung MAITHINK X – Die Show, kuratiert den Bluesky-Kanal Real Scientists DE, unterrichtet am Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation und schrieb im letzten Jahr sein erstes Buch „Foellig nerdiges Wissen: 42 höchst zufällige und äußerst wissenswerte Tatsachen über unsere Welt, das Universum und den Nacktmull“. Wie Foell zu all diesen Jobs gekommen ist und was für ihn gute Wissenschaftskommunikation ausmacht, darüber haben wir mit ihm gesprochen.
Jens Foell kann sich so ziemlich für jedes wissenschaftliche Thema begeistern und dieses dann so verständlich und spannend aufbereiten, dass auch weniger wissenschaftlich interessierte Menschen Lust haben, sich mit dem Thema zu befassen. Dabei war bei ihm selbst gar nicht von Anfang an klar, dass er mal in die Wissenschaft gehen würde. Der heutige Neurowissenschaftler belegte in seiner Zeit am Gymnasium nicht etwa Biologie oder Physik im Leistungskurs, sondern Kunst. Erst spontan stellte er fest, dass ihn weniger das künstlerische Gestalten als die Psychologie hinter unserer Wahrnehmung von Kunst interessierte. So entschied er sich dazu, an der Eberhard Karls Universität Tübingen Psychologie zu studieren. Im Anschluss daran promovierte er an der Universität Heidelberg über Phantomschmerzen – ein Thema, über welches Foell auch bei seinem Ted Talk 2017 referierte. Im Anschluss an seine Promotion zog es ihn zum Forschen nach Florida an die Florida State University, wo er bis 2020 mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) zu verschiedenen Themen von Schmerz bis Depression forschte. Seine Liebe zur fMRT als Methode lässt sich noch heute in seinen Namen in den Sozialen Medien wiederfinden.
2020 zog Foell mit seiner Frau und seinen zwei Kindern zurück nach Deutschland und begann, in der Redaktion von Mai Thi Nguyen-Kim mitzuarbeiten. Seine Jobs bei dem Funk-Format maiLab und der Fernsehshow MAITHINK X waren jedoch nicht Foells ersten Erfahrungen mit Wissenschaftskommunikation: Bereits während seiner Zeit an der Universität habe er immer wieder überlegt, wie er Wissenschaft am besten nach außen kommunizieren könne, sagt Foell. Im Jahr 2016 bot sich ihm dann die Möglichkeit, bei dem Twitter-Kanal Real Scientists, einem Twitter-Kanal, der im wöchentlichen Wechsel von unterschiedlichen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen übernommen wird, mitzumachen. Bereits ein Jahr später gründete er mit Kollegen und Kolleginnen das deutschsprachige Spin-off Real Scientists DE und kuratiert diesen seitdem. Mittlerweile ist der Kanal, der auf Twitter beinahe 22.000 Follower hatte, auf die Plattform Bluesky umgezogen. Nach welchen Kriterien sie die Moderatoren und Moderatorinnen für Real Scientist DE aussuchen, fragen wir ihn. „Weniger strikte als man annehmen mag“, antwortet Foell. Es sei lediglich wichtig, irgendeinen Bezug zur Wissenschaft zu haben, ob man noch aktiv forscht oder in eine andere Branche gewechselt ist, sei dabei weniger von Bedeutung. Erfahrung im Umgang mit Sozialen Medien sei hingegen unumgänglich, da die Moderatoren und Moderatorinnen auch in der Lage sein müssen, mit möglichen Shitstorms umgehen zu können. Dies komme zwar nicht oft vor, der richtige Umgang damit sei aber dennoch wichtig.
Durch seine Arbeit an Real Scientist DE knüpfte Foell, auch wenn er selbst wenig Inhalte produzierte, zur deutschen Wissenschaftskommunikations-Community Kontakte und wurde 2019 vom Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik) nach Karlsruhe eingeladen. Hier lernte er auch seine spätere Chefin Mai Thi Nguyen-Kim zum ersten Mal persönlich kennen. Diese bot ihm eine Stelle als Redakteur für ihre Sendungen an und Foell ließ sich diese einmalige Möglichkeit nicht entgehen. Zunächst wirkte Foell vor allem an dem YouTube-Format maiLab mit. Nachdem die Produktion von maiLab im April 2023 eingestellt wurde, arbeitet er nun an der ZDFneo-Sendung MAITHINK X – Die Show mit.
„Vor allem das Verständnis von Zeit ist anders.“
Auf die Frage, was die größte Umstellung von der Forschung zu einem Medienberuf gewesen sei (Forschung betreibt Foell aktuell nicht mehr), antwortet Foell lachend: „Vor allem das Verständnis von Zeit ist anders. Wird einem in der Wissenschaft gesagt: ‚mach es gleich‘ können auch gerne mal ein, zwei Wochen vergehen. Sagt jemand in der Medienbranche ‚mach es gleich‘ erwartet dieser meist noch am selben Tag Rückmeldung.“ Außerdem vermisse er den Austausch und die Updates über aktuelle Forschung auf wissenschaftlichen Konferenzen. Ansonsten zähle das Schreiben und Recherchieren noch immer zu seinen Hauptaufgaben, nur dass Foell dies nun zu den unterschiedlichsten Themen und nicht mehr nur zu seinem Forschungsfeld tut. „Ich setzte das, was ich jetzt mache, immer mit dem Verfassen von wissenschaftlichen Review-Artikeln gleich. Man setzt sich auch hin und schaut, was ist der aktuelle Stand und der Konsens in der Forschung, was ist die Geschichte der Forschung, was gibt es für Paper, welche werden diskutiert? Es fühlt sich so an, als ob ich die ganze Zeit Übersichtsartikel über ein bestimmtes Feld schreiben würde.“ Dadurch, dass Foell im Homeoffice arbeitet und häufig nur für Drehs in die Redaktion von MAITHINK X in Köln fährt, sitzt er in seinem Arbeitsalltag viel am Laptop und freut sich immer darauf, Leute auch mal persönlich zu sehen. Neben seiner Mitarbeit in der Redaktion kann man Jens Foell auch immer mal wieder vor der Kamera sehen – sei es bei Interviews zu seinem Buch „Foellig nerdiges Wissen“ oder in der Sendung von MAITHINK X – ein Umstand, den er laut eigener Aussage noch immer sehr merkwürdig findet, auch wenn es ihm großen Spaß macht.
„Ein Nerd ist jemand, der sich in einer Sache richtig schön wiederfinden kann und Begeisterung speziell für eine Sache aufbringt, wo andere Leute mit dem Kopf schütteln.“
Foell bezeichnet sich gern auch selbst als „Nerd“. Was einen Nerd für ihn ausmache, fragen wir. „Ein Nerd ist jemand, der sich in einer Sache richtig schön wiederfinden kann und Begeisterung speziell für eine Sache aufbringt, wo andere Leute mit dem Kopf schütteln“, gibt Foell zurück. Der Begriff unterliege aber einem ständigen Wandel und sei heute weit weniger negativ konnotiert als noch vor ein paar Jahren. „In der Forschung wird Nerd-sein nicht negativ gesehen, sondern es ist eher normal zu sagen: wir sind halt alle Nerds.“ Schon als Kind findet Foell Themen spannend, die andere Kinder eher uninteressant fanden. Lachend erzählt er: „Ich habe mich zum Beispiel schon immer für Disney-Filme begeistern können, auch in der Pubertät, wo es die meisten Jungen eher als uncool empfinden, sich für Disney zu interessieren.“ Auch heute noch ist Foell ein großer Film-Fan. Dabei schaut er alles, was ihm auf den Bildschirm kommt. Auf wissenschaftliche Detailgenauigkeit achtet der Marvel-Fan hierbei weniger, auch wenn Filme wie Oppenheimer ein guter Anstoß seien, sich mit Themen auseinanderzusetzen (er liest aufgrund des Films gerade ein Buch zur Erfindung der Atombombe). Aber auch Wissenschaftskommunikatoren können Einfluss auf Filme haben: So erzählt Foell die Geschichte über den Nachthimmel im Film Titanic, den Regisseur James Cameron beim Re-Release des Films änderte, da ihn der Wissenschaftsjournalist und Astrophysiker Neil deGrasse Tyson in einer E-Mail darauf hinwies, dass dieser zu Ort und Jahreszeit der Handlung nicht passte.
Auch in seiner Freizeit beschäftigt sich Foell mit wissenschaftlichen Themen. Er liest Sachbücher und gibt auch in seinem privaten Umfeld gerne mal „nerdige“ Fakten zum Besten. Seine Begeisterung für solche Fakten lässt sich vor allem in seinem im April 2023 erschienen Buch „Foellig nerdiges Wissen: 42 höchst zufällige und äußerst wissenswerte Tatsachen über unsere Welt, das Universum und den Nacktmull“ wiederfinden. Hier hat Foell, laut eigener Aussage, wirklich sein Hobby zum Beruf gemacht hat. In dem Buch beschreibt er 42 Phänomene (Nerds kennen die Relevanz der Zahl 42. Kleiner Hinweis: Per Anhalter durch die Galaxis), die er irgendwo mal aufgeschnappt hat und einen meist ein wenig zum Schmunzeln bringen. Thematisch lässt sich von antiken Keilschriften, pornografischen Münzen im alten Rom, dem Nacktmull, Schleimpilzen, bis zur möglichen Todesursache von John Wayne und dem leisesten Song der Welt alles finden – es ist für wirklich jeden etwas dabei. In seinem Buch stellt Foell unter Beweis, dass er ein Meister darin ist, wissenschaftliche Themen unterhaltsam und verständlich darzulegen. Ob es auch manchmal anstrengend ist, sich für so viele Dinge begeistern zu können, möchten wir von ihm wissen. „Nein“, antwortet Foell. Es sei nur wichtig zu wissen, wann man aufhören muss, sich mit einem Thema zu beschäftigen, bevor es anstrengend oder langweilig wird.
An Wissenschaftskommunikation begeistert Foell, dass er es selbst liebt, einen richtigen „Mindblow“ beim Rezipieren guter Wissenschaftskommunikation zu haben. Dies möchte er gern weitergeben. Wie gute Wissenschaftskommunikation geht, gibt Foell auch in seinen Kursen am Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation weiter. Hier bringt er seinen Studierenden insbesondere Techniken bei, wie man Wissenschaft am besten für ein breites Publikum herunterbricht und aufbereitet. Gute Wissenschaftskommunikation macht für Foell vor allem Faktentreue, gute Recherche und ein überzeugendes Narrativ aus. Sollten die recherchierten Fakten nicht zu dem Narrativ passen, müsse man sich eben eine neue Geschichte ausdenken. Dass Jens Foell ein Meister des Erklärens und Herunterbrechens ist, kann man auch während unseres Gespräches spüren. Auf fast jede seiner Antworten folgt ein anschauliches Beispiel. Außerdem müsse gute Wissenschaftskommunikation etwas in Menschen bewegen. Es geht in seinen Augen nicht nur um Übermittlung von Zahlen und Fakten, sondern auch darum, Menschen eine neue Perspektive zu eröffnen oder eine Emotion hervorzulocken. Hier verweist Foell auf einen Beitrag über Keilschriften, bei dem die Autorin zunächst auf ihre eigene und dann auf die Beschreibung von Depressionen in Mesopotamien eingeht und so eine Verbindung zur Leserschaft herstellt.
Laut Foell befindet sich die Wissenschaftskommunikation gerade sehr im Wandel: Bis vor wenigen Jahren hätten die Meisten Wissenschaftskommunikation lediglich nebenher betrieben, heute gebe es auch eine ganze Reihe von institutionellen Stellen. In den meisten Förderanträgen muss der Wissenschaftler oder die Wissenschaftlerin darlegen, wie seine oder ihre Forschung nach außen hin kommuniziert werden soll und auch im Koalitionsvertrag der Bunderegierung wird Wissenschaftskommunikation genannt.
„Man muss nicht nur über Ergebnisse, sondern auch über die Methoden der Wissenschaft sprechen.“
Als wir uns erkundigen, ob er der Meinung ist, dass auch die Corona-Pandemie einen Einfluss auf das Interesse an Wissenschaftskommunikation gehabt hat, erwidert er simpel: „Ja, schließlich musste die Wissenschaft während der Pandemie auf die Menschen zugehen und ihnen erklären, warum dieser Virus anders ist als andere davor, warum es wichtig ist, zu Hause zu bleiben oder auch wie Tests funktionieren.“ Dabei habe man gemerkt, dass bei einigen Menschen das Grundvertrauen in die Wissenschaft fehle und es sei auf Forschungsseite deutlich geworden, dass mehr für das Verständnis von Wissenschaft und ihren Methoden getan werden müsse. Ähnlich sei dies auch in Bezug auf die Klimakrise – Man müsse den Menschen erklären, wie man zu Ergebnissen und Zahlen gekommen ist, um ihnen die Möglichkeit zu geben, diese besser einschätzen zu können. „Man muss nicht nur über Ergebnisse, sondern auch über die Methoden der Wissenschaft sprechen“, fordert Foell. Das Sprechen über Methoden ist Foell insgesamt sehr wichtig. „Mit Ergebnissen zu begeistern ist auch irgendwie leicht“, sagt er. Leider werden wissenschaftliche Methoden viel zu wenig auch in der Wissenschaftskommunikation behandelt. Sie seien aber unumgänglich, da die Öffentlichkeit gerade diese brauche, um wissenschaftliche Ergebnisse besser zu verstehen und einordnen zu können – das schaffe Vertrauen. Verstehen wir zumindest grundlegend die Methoden der Forscherinnen und Forscher, so können wir die Ergebnisse dieser besser einschätzen, hinterfragen und uns so auch ein eignes Meinungsbild machen.
Foell lebte lange in den USA, seine Erfahrungen dort haben auch sein Verständnis von Wissenschaftskommunikation beeinflusst. Insbesondere der lockere Umgang unter den Forschenden habe bei ihm einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ebenso führt er an, dass im englischsprachigen Raum eine längere Tradition von Wissenschaftskommunikation existiert und sie aus diesem Grund auch breiter aufgestellt ist. Dass Deutschland in Sachen Wissenschaftskommunikation noch einiges aufzuholen hat, begreift Foell aber auch als Chance, die Welt der deutschen Wissenschaftskommunikation und ihre Zukunft aktiv mitzugestalten.