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Freiheit auf vier Rädern: Faszination Vanlife – Die Schlüsselrolle von Social Media bei einem Leben aus dem Van

Von Arian Latifi

In einer Welt voller Hektik, Verpflichtungen und einem Übermaß an Konsum, erfreut sich eine wachsende Zahl von Menschen an einer Lebensweise, die auf den ersten Blick paradox erscheinen mag. Die Vorstellung darüber, mal abzuschalten und seinen Alltag hinter sich zu lassen wird in den letzten Jahren immer mehr von der Idee autonom zu Reißen geprägt. Es ist ein Wandel zu beobachten in der Art und Weise, wie Menschen Urlaub machen. Ist dieser Wandel lediglich eine Folge des innerlichen Wunsches loszulassen, oder könnten nicht auch moderne Medien Treiber einer solchen Haltung sein?

Sehnsucht nach einer Alternative

Statt traditioneller Pauschalreisen und Luxushotels setzen immer mehr Menschen auf Unabhängigkeit und Flexibilität. Heute sind die neuen Helden der Reiselust nicht mehr diejenigen die mit dem nächsten Flieger um die halbe Welt fliegen oder in überfüllte Reisebusse sitzen. Heute setzt ein moderner Abenteurer auf Campingvans und mühselig, aber dennoch sehr liebevoll umgebaute VW Busse. Es ist das Leben aus dem Van, dass in den Köpfen der Menschen immer attraktiver wird. Im „Anthropological Journal on European Cultures“, unterhält sich Cody Rodriguez mit mehreren Personen, die bereits ein „VanLife“ führen und gibt Einblick in die Beweggründe und Motive dieser Menschen, sich für einen derartigen Lebensstil entschieden zu haben. Hinter diesem Trend verbirgt sich jedoch mehr als nur die Sehnsucht nach einem alternativen Lebensstil – Vielmehr ist es ein Vertrag mit der Freiheit. Es geht um sinnliche Wahrnehmung und dem emotionalen Prozess, der die Schönheit der Natur genauso spiegelt wie die Authentizität menschlicher Existenz. Im Inneren eines Vans wird die Magie des Minimalismus erlebbar. Jeder Quadratzentimeter wird bewusst genutzt und überflüssiger Ballast verschwindet. Das Leben im Van lehrt einem, dass wahre Erfüllung nicht in materiellen Dingen gefunden werden kann. Vielmehr sind es die Erlebnisse, Begegnungen oder auch Abenteuer, mit denen es erst möglich wird, ein tiefes Gefühl von Freude zu verspüren. Man kann fast schon sagen es ist ein Plädoyer für das Reduzieren auf das Wesentliche, ohne den Druck ständig mehr besitzen zu müssen als jemand anderes.

Zwischen Inspiration und Selbstdarstellung

Es fühlt sich so an, als würden immer mehr Leute auf den Trichter kommen, fast schon eine unbemerkte Bewegung hin zur Unabhängigkeit. Lässt sich das erklären? Wir befinden uns aktuell in einer Zeit in der Social Media Einfluss auf die Ausgestaltung unseres Lebens nimmt. Durch das Internet hat sich die Art und Weise verändert, wie wir kommunizieren, was wir wahrnehmen und für was wir uns schlussendlich entscheiden. Plattformen wie Instagram und TikTok eröffnen den Menschen ihren Horizont für Lebensstile jenseits der Norm. Könnte das Phänomen „VanLife“ nicht eine Bewegung sein, die besonders von dieser digitalen Revolution profitiert? Eines ist schon mal sicher, soziale Medien bieten in der Tat eine Möglichkeit zur digitalen Selbstdarstellung, Michael Klemm liefert in seiner Analyse „ich reise, also blogge ich“ einen Ansatz, der diese These stützt. Er schreibt, dass Reisebloggs meisten zwei Ziele verfolgen „Sie dienen einerseits als digitale Nabelschnur zur bisherigen Welt durch das Kontakthalten mit der Heimat, aber sie sind zugleich eine Bühne, um sich selbst vorteilhaft zu präsentieren und neue Kontakte in der Blogsphäre zu knüpfen.“

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Die Gemeinschaft Gleichgesinnter

Die sozialen Medien sorgen dafür, dass Menschen mit ähnlichen Vorstellungen in der Lage sind, sich zusammenzuschließen. Social media verbindet nicht nur durch die Kraft der audiovisuellen Inhalte, darüber hinaus entsteht bei Rezipient:innen eine erfahrbare Form von Gemeinschaft. Die Vanlife-Community nutzt diese Möglichkeit, um richtig aufzublühen. Man ist in der Lage sich Ortsunabhängig auszutauschen. Plattformen wie Facebook, Instagram oder Telegram, in denen Erfahrungen geteilt, Fragen beantwortet und Ratschläge gegeben werden, sorgen dafür das ein Netzwerk von Gleichgesinnten entsteht. Der Psychologe Howard Rheingold spricht in seiner Forschung von dem Begriff der „virtuellen Gemeinschaft“ und beschreibt sehr ausführlich, wie ein erfahrbares Gemeinschaftserleben im Netz entstehen kann. Die digitale Gemeinschaft bietet diesen Menschen Inspiration und sorgt nebenbei dafür, dass sich Menschen, die ein solchen Lebensstil in Erwägung ziehen, auch die praktische Unterstützung erhalten, um ihre Vorstellungen in die Realität umzusetzen. Es sind die Social-Media-Plattformen die inspirierende Narrative, sowie atemberaubende Fotografien von Menschen zeigen, die ein Leben im Van bereits umgesetzt haben. Durch diese visuellen Geschichten bekommt ein potenzieller „Vanlifer“ einen Einblick in die Schönheit und Freiheit dieses ganz besonderen Lebensstils. Man schafft es durch sorgfältig kuratierte Instagram-Feeds nicht nur den Glanz der offenen Straßen zu zeigen, sondern auch die Einfachheit des Lebens im Van. Die Leute bekommen die Möglichkeit in den Alltag eines „Vanlifers“ einzutauchen. Bei der Vorstellung selbst in diese Rolle zu schlüpfen, entstehen Träume und Aspirationen.

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Das Phänomen „Vanlife“ hat sich zu einer faszinierenden Bewegung entwickelt, die in unserer hektischen und konsumorientierten Welt einen Gegenpol zur Norm bildet. Durch die vielen Möglichkeiten ein solche Lebensstil öffentlich zu präsentieren, wächst diese Gemeinschaft immer mehr und das Leben aus einem Van wird für immer mehr Menschen als attraktive Form zu Leben wahrgenommen. Der Wunsch sich von den Fesseln des Alltags zu lösen, wird immer großer und finden bei immer mehr Menschen Anklang. Ein Leben auf Rädern erlebt durch die mediale Unterstützung einen Aufschwung und scheint zu einem erstrebenswerten Lebensstil zu werden. Mittlerweile ist es mehr als nur ein alternativer Lebensstil; es ist ein Ausdruck der Sehnsucht nach Freiheit und Authentizität.

Quellen:

Klemm, M. (2016). „Ich reise, also blogge ich “ Wie Reiseberichte im Social Web zur multimodalen Echtzeit-Selbstdokumentation werden. Websites & Sightseeing: Tourismus in Medienkulturen, 31-62.

Rhenigold, H. (1993). The Virtual Community; Homesteading on the Electronic Frontier. New York, William Patrick Book.

Jansson, A. (2015). Interveillance: A new culture of recognition and mediatization. Media and Communication, 3(3), 81-90.

Rodriguez, C. (2023). #Vanlife. Anthropological Journal of European Cultures.