VON GLÜCK, TALENT UND MUT
Alumni-Portrait über Jan Horst von Late Night Berlin
Von Lena Köhler
„Klaas ist politisch, mag Trash-Fernsehen und kennt sich damit aus, hat aber keine Ahnung von Fußball.“ – Das sind drei wichtige Informationen, die der 30-jährige Jan Horst für seinen Job als Fernsehautor bei Late Night Berlin kennen muss. Denn seine Aufgabe besteht darin, „es Klaas so einfach wie möglich zu machen, eine tolle Show abzuliefern.“ Dafür denkt er sich für die Show und für Moderator Klaas Heufer-Umlauf passende Witze aus, schreibt Texte, arbeitet mit Gewerken zusammen und gibt Regieanweisungen.
Jan Horst hat im Jahr 2016 sein Bachelorstudium der Medienwissenschaft an der Universität Tübingen abgeschlossen. Allerdings war für ihn nicht von Anfang an klar, dass er in der Medienbranche richtig ist. 2011 an die Universität Tübingen kommend, wusste er zuerst überhaupt nicht, was er machen möchte. Durch seine Liebe zur Musik – er hat selbst Gitarre gespielt – war ihm klar, dass Kreativität in ihm schlummert, allerdings wusste er nicht, wie er sie kanalisieren soll. Er hat sich dann zunächst für ein Rhetorik-Studium entschieden, vor allem darum, weil es „irgendwie gut klingt“ und es keinen NC gab, bemerkt er lachend. Allerdings wurde ihm das fehlende Latinum, welches Voraussetzung für das Rhetorik-Studium ist, nach einem Jahr zum Verhängnis: „Ich war nicht faul, habe aber meine ganze Power in andere Dinge gesteckt als in das Latinum.“ Nach diesem Jahr hat er zur Medienwissenschaft gewechselt: „Durch Zufälle und sehr viel Glück bin ich da reingerutscht“, denn Jan Horst befand sich nach seiner Bewerbung erst mal auf der Warteliste: auf Platz 230. Er spricht in diesem Zusammenhang von „Schicksal“, durch das er dann noch einen Studienplatz bekommen hat. Erst dann, durch das Studium, hat er herausgefunden, was überhaupt seine Stärken sind. Durch die vielen Möglichkeiten im Studium, Sachen auszuprobieren, wie einen Rundfunkbeitrag zu produzieren, für die Werbung oder das Fernsehen zu schreiben, und auch durch sein Praktikum bei SWR Late Night und seine Mitarbeit bei Querfeldein, hat er gemerkt, dass er schreiben kann und vor allem, dass man im Beruf des Autors für Comedy-Formate Schreiben mit Humor verbinden kann. So war für Jan Horst auch klar, dass er nach seinem Bachelorabschluss nicht den Master anschließen möchte, denn die wissenschaftliche Laufbahn war und ist nichts für ihn: Er möchte arbeiten, kreativ sein und seinen eigenen Weg gehen. Ein Masterstudium hätte nur seine „Zeit verschleudert“.
„Vom Glück geküsst“: Redakteur beim ZDF
Im Februar 2016, mit 26 Jahren, hatte Jan Horst sein Bachelorzeugnis in der Hand und war im ersten Moment ziemlich ratlos, was er nun damit machen sollte. Allerdings hatte er gerade einmal zwei Wochen später ein Vorstellungsgespräch und ist vier Wochen später nach Mainz gezogen. Zu diesem Zeitpunkt haben ARD und ZDF ein neues Angebot, nämlich funk, gestartet: „Das ZDF suchte jemand, der comedy-affin ist und gern mit einer jungen Produktionsfirma für ein Sketch-Format zusammenarbeiten möchte.“ Für Jan Horst war klar, dass er diesen Job unbedingt bekommen möchte. Zwar war die normale Bewerbungsfrist bereits vorbei, er schaffte es aber noch als Nachzügler, ein Bewerbungsgespräch zu bekommen: „Ich fühlte mich dabei als wäre ich vor Gericht, weil so viele Leute dort waren und ich derjenige war, der berichten musste.“ Jan Horst bekam eine Zusage: „Das war für mich eine unfassbar große Chance, bei so etwas dabei zu sein, von Anfang an. Aber ich bin dort einfach so reingestolpert: Na gut, dann bin ich jetzt ZDF-Redakteur.“ Als Redakteur war Jan Horst für den Sketch-Channel Gute Arbeit Originals verantwortlich. Er prüfte dabei die Texte der Autoren der bildundtonfabrik auf ihre Inhalte und, ob sie den ZDF-Vorgaben entsprachen. „Ich war gewissermaßen immer das Qualitätssiegel und hatte die Verantwortung dafür, dass die Inhalte auch gut genug sind.“ Dabei waren Selbstbewusstsein und Mut erforderlich, um eine gute Idee – im Gegensatz zu einer etwas schlechteren – durchzusetzen. Sein Talent, kreativ und humorvoll zu schreiben, konnte Jan Horst in diesem Job allerdings nicht einsetzen – und das fehlte ihm.
„Die kreative Ader in mir schlägt mir bis zum Hals und ich will unbedingt schreiben!“
Jan Horst wechselte die Seiten: Nach eineinhalb Jahren beim ZDF ging er zu Florida Entertainment: „Weil ich an mich geglaubt habe und es einfach mal probieren wollte, habe ich mich bei Klaas beworben.“ Damals hat es eine Stellenausschreibung für die neue Show Late Night Berlin gegeben. „Ich habe schon gemerkt, dass da etwas brodelt, denn Circus HalliGalli war ein halbes Jahr vorbei und sie haben gesagt, dass sie eine Nachfolgeshow machen wollen mit Klaas.“ Um die Stelle zu bekommen, hat Jan Horst früh angefangen, das Geschehen um die neue Show zu beobachten und wusste somit schon früh, dass eine Stellenausschreibung kommen wird und hat sich entsprechend dafür vorbereitet und viel Mühe in seine Bewerbung investiert. Anders als vielleicht angenommen, wurde Jan Horst die Stelle nicht durch Kontakte, die er durch Jobs und Praktika knüpfte, vermittelt: „Ich bin mit den anderen mitgeschwommen, es gab niemanden, der gesagt hat, wir hätten dich gerne, du hast Talent. Ich musste mich, wie jeder andere auch, in eine Reihe eingliedern und meine Unterlagen hinschicken.“
Im Dezember 2017 bewarb sich Jan Horst auf die Stelle als Autor bei Late Night Berlin und bekam nach einem Vorstellungsgespräch eine Zusage. Drei Wochen später zog er von Mainz nach Berlin. Dort hatte er dann die Möglichkeit, seine Ideen Klaas Heufer-Umlauf vorzustellen. Fasziniert berichtet er: „Als ich mit 26 Jahren losgelaufen bin in diese Medienwelt, hatte ich ganz große Augen und ich habe immer noch große Augen bei Joko und bei Klaas!“ Im Zeitraum von knapp zwei Jahren ist Jan Horst zuerst von Tübingen nach Mainz und dann wiederum von Mainz nach Berlin gezogen: „Für mich gehört ein Ortswechsel in Medienberufen einfach dazu. Es war klar, dass ich als festangestellter TV-Autor in eine der großen Medienstädte ziehen muss. Und da war Berlin natürlich immer eine tolle Option. Ich habe tatsächlich keine Sekunde gezögert. Ich war 28 und die Chance bei so einer großartigen Show mitzuwirken – gigantisch! Ich wäre aber auch nach Hamburg oder Köln gezogen.“ Dabei war es völlig unwichtig, wie lange er schon in dieser Branche arbeitet: Jede Idee wird angehört, egal ob sie von Praktikant*innen oder langjährigen Mitarbeiter*innen kommt. Jan Horst betont, dass er immer das Gefühl hat, ein wichtiger Bestandteil der Firma zu sein. Als Herausforderung stellte sich allerdings heraus, dass die Show anders werden sollte, als Jan Horst sich das zuerst vorgestellt hatte: Denn im Gegensatz zu Circus HalliGalli waren mit der neuen Late-Night-Show höhere Ansprüche an die Themensetzung verbunden, es sollten vor allem auch mehr politische Themen angesprochen werden und die „Quatschmomente“ sollten zurückgeschraubt werden. Jan Horst erzählt, dass er sich nun zuerst mit seinen Ideen für die Show herantasten musste. Eine weitere Herausforderung war damit verbunden, dass sich Klaas Heufer-Umlauf mit seiner neuen Show von Joko Winterscheidt lösen wollte: „Ich musste lernen, wie man Klaas neu erzählen kann, aber ohne die alten Fans zu vergraulen.“
Eine Arbeitswoche bei Late Night Berlin
Die Show Late Night Berlin lässt sich in zwei Bereiche einteilen, für die unterschiedliche Teams, bzw. Autoren verantwortlich sind: Die Studio-Show, in der unter anderem Gäste eingeladen und Spiele gespielt werden und die Einspieler. Jan Horst ist Teil des Studio-Teams: Morgens, wenn er in die Redaktion geht, findet für gewöhnlich ein News-Meeting statt, in dem über Neuigkeiten gesprochen wird: Jan Horst erwähnt beispielsweise, dass über das neu erschienene FIFA-Spiel gesprochen wird und passend dazu ein Studiospiel konstruiert werden soll. Es wird demnach versucht, Tagesaktualität mit Popkultur zu verbinden und daraus Show-Inhalte entstehen zu lassen. Danach werden die Aufgaben verteilt und in 2er-Teams bearbeitet: Meist schreibt ein Autor zunächst eine erste Fassung, die dann vom Kollegen/von der Kollegin gelesen und ergänzt wird. Wenn die Stücke fertig geschrieben sind, leitet Jan Horst sie an den Vorgesetzen weiter, der die Texte überprüft und sie – in Absprache mit Klaas Heufer-Umlauf – genehmigen muss. Auf die Frage, ob es intern auch Konkurrenz gibt und jeder Autor seine Ideen durchsetzen möchte, winkt Jan Horst lachend ab: „Es ist ein riesengroßer Kindergeburtstag, ich gönne jedem eine Idee und jeder gönnt mir eine Idee. Es wird sich untereinander so viel auf die Schultern geklopft, jeder hat so viel Spaß daran, im Team zu arbeiten.“
In einem nächsten Schritt, erzählt Jan Horst, arbeitet er mit der Grafikabteilung zusammen, da die Texte in der Show nicht nur vorgelesen werden, sondern auch visuell gestaltet werden müssen.
Am Ende der Woche erfolgt ein Ablaufmeeting, bei welchem die Inhalte der Show besprochen werden. Dann wird das Moderationsbuch geschrieben – oftmals übernimmt Jan Horst diese Aufgabe am Freitagabend. Konkret bedeutet dies, dass er einen Fließtext schreibt, an dem sich der Moderator Klaas Heufer-Umlauf orientieren kann; dabei geht es vor allem auch darum, die Übergänge zu konstruieren: also wie von einem Gag zum nächsten übergeleitet wird. Am darauffolgenden Montag wird die Sendung produziert: Jan Horst geht dafür ins Studio, um bei den Vorbereitungen und auch beim Dreh selbst dabei zu sein. Er ist nicht nur Autor, sondern auch Schnittstelle zu den Gewerken, die sich beispielsweise um den Ton, die Requisiten und Kostüme für die Aufnahmen kümmern. Teilweise übernimmt er auch die Regieführung: „Es ist viel mehr, als nur einen Witz zu schreiben, es ist viel eher ein ganz großer Teil, bei dem es auch viel um Kommunikation geht: mit den Gewerken zusammenarbeiten, mit den Kostümen, den Requisiten, dem Licht, dem Ton und auch mit Klaas, der eigentlich selbst ein eigenes Gewerk ist.“ bemerkt Jan Horst schmunzelnd. Dabei muss vor allem beachtet werden, dass „man als Autor immer auch Dienstleister ist“, was bedeutet, dass Jan Horst als Autor immer versuchen muss, mit seinen Texten die Sprache und den Humor von Klaas Heufer-Umlauf zu treffen. Klaas sucht sich dann aber die Witze, die Passagen heraus, die ihm zusagen; spricht sie aber selten ganz genau so, wie sie für die Show geschrieben wurden.
Eine weitere Aufgabe von Jan Horst besteht darin, mit den prominenten Studiogästen, wie beispielsweise Emilia Schüle oder Felix Lobrecht, zu kommunizieren und sie über die Show und die geplanten Spiele zu informieren. Oftmals schreibt er auch ein Exposé, das vorab an das Management des jeweiligen Gastes geschickt wird.
„Denk‘ so groß Du kannst!“ – Tipps von Jan Horst an Studierende
„Wenn Du weißt, was von dir für einen Job erwartet wird, dann versuche alles dafür zu tun, dass du auch so wahrgenommen wirst: als jemand, der den Job machen kann. Und das nicht nur im Vorstellungsgespräch, sondern auch online. Wenn Du lustig bist, zeige es auf Twitter, wenn Du schreiben willst, erstelle einen Blog, wenn Du filmen willst, mache es auf Instagram, zeige Deinen Humor auf TikTok, wenn Du Comedian oder Schauspieler werden willst. Sich immer ins Schaufenster zu stellen und es den Leuten einfach zu machen, dich zu finden und dich gut zu finden, ist das was mir geholfen hat und was auch jedem anderen hilft, der in den Medien Fuß fassen will.“
„Bewerbt Euch einfach, selbst wenn Ihr noch nicht so weit seid, selbst einen Einspieler wie bei Duell um die Welt zu drehen, ganz egal, ich konnte das am Anfang auch nicht. Eine Firma wie Florida Entertainment wird immer Leuten die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln. Es ist wie ein Ausbildungsverein, bei dem man mit großen und tollen Autoren und Redakteuren zusammen an einem Stück sitzt und nie allein gelassen wird.“
Good to know
- Insgesamt schreiben 10 feste Autor*innen an den Inhalten für Late Night Berlin. Zusätzlich gibt es aber auch noch externe Autoren, die Stand-up-Witze für die Show einreichen, wodurch ein Pool an Gags entsteht, auf die für die Show zurückgegriffen werden kann.
- Was ist denn der Unterschied zwischen einem Redakteur und einem TV-Autor?
„In meinem Beispiel ist es so, dass der ZDF-Redakteur die Arbeit der Autoren der Produktionsfirma beurteilt und abnimmt. Also das Go für die Ausstrahlung gibt. Es gibt aber auch in Produktionsfirmen Redakteure. Ich selbst werde in meinem Arbeitsvertrag auch Redakteur genannt. Weil ich eben mehr machen muss, als nur schreiben. Die Aufgaben gehen über das bloße Texten hinaus. Ich würde mich aber dennoch als Comedy- bzw. TV-Autor bezeichnen, weil das meine Hauptaufgabe ist. Aber im Verhältnis Sender – Produktion, ist der Autor immer der kreative und der Redakteur eher der administrative Part.“
- „Das meiste hat mir das gebracht, was ich nebenher gemacht habe“: Jan Horst hat in und seit seiner Studienzeit immer viel selbst produziert: Dazu gehören Podcasts (Um Kopf und Kragen, Scheiterhaufen, Autor*innen schreiben die besten Geschichten), ein Blog, die Veranstaltungsreihe Querfeldein in Tübingen und ein Kurzfilm (weiter unten findet Ihr für einige seiner Produktionen die Verlinkungen). Er hat die Freiräume im Studium genutzt, um mit seinen Freunden etwas zu produzieren.
- Für den Bachelorabschluss produzierte Jan Horst ein Werkstück, genauer gesagt eine Reportagereihe mit dem Titel Deutschland ist viel schöner als Berlin. Dabei hat er Menschen, die künstlerisch – außerhalb von Berlin – tätig sind, portraitiert. Hauptsächlich in Stuttgart hat er unter anderem Bands und Poetry Slamer befragt. Damit war ein großer Aufwand verbunden, denn Jan Horst hat bereits 2014 angefangen und stellte die Reportage 2016 fertig.
Jan Horsts Podcasts & Blog:
Scheiterhaufen (Dominik Feth und Jan Horst)
Autor*innen schreiben die besten Geschichten (Tim Löhrs und Jan Horst)
Herr Horst – Ein Horst, ein Wort (Website)