Geist der Vergangenheit

von Maya Morlock

Im Sinne des englischen Sprichworts „What goes around comes around“ holt Simons (Jason Bateman) Vergangenheit ihn im Psychothriller „The Gift“ (Regie Joel Edgerton) unerwartet ein. Das lauernde Katz-und-Maus-Spiel beginnt, in dem die schlichte Trennung in Gut und Böse immer undurchsichtiger wird. Filmstart ist der 26. November.

Ein Schatten

Er taucht aus dem Nichts auf. Er weiß, wo sie wohnen und es scheint, als sei er immer da. Wie ein Geist ist er immer präsent – als schwirre er durch das geräumige Haus, unsichtbar, sodass man ihn nur erahnen kann. Lauernd, bereit zum Angriff. Robyn (Rebecca Hall, Simons Ehefrau) hört ein Knacken. Vor lauter Furcht fällt ihr die Flasche mit dem isotonischen Getränk um und ergießt sich auf den hellen Fußboden. „Ist er das? Lauert er mir auf?“ sagt ihr angsterfülltes Gesicht, als sie dem Geräusch auf den Grund geht…

Bröckelnde Harmonie

Simon (Jason Bateman) ist mit seiner Frau Robyn (Rebecca Hall) in ein Vorzeigehaus nahe Los Angeles gezogen, um einen Neuanfang zu starten. Das Ehepaar wirkt harmonisch, es besitzt alles, wovon andere Paare nur träumen können – das Einzige, das ihnen zur Vollendung ihre Glücks fehlt, ist ein Baby. Bereits zu Beginn betritt Gordon Mosley (Joel Edgerton) die Bildfläche – der alte Bekannte aus Simons High-Schoolzeiten scheint nett und freundlich. Er überhäuft das Paar mit teuren Geschenken und taucht ständig ungebeten zu Besuch auf – allmählich weist er Züge eines Stalkers auf. Nun steht die Frage im Raum: Wie wird man ihn wieder los? Der anfänglich perfekt inszenierte Antagonist Gordon, früher boshaft „Weirdo“ genannt, bringt Robyn dazu in Simons Vergangenheit zu wühlen – denn dieser verbirgt ein dunkles Geheimnis, das er jahrelang unter Verschluss hielt.

Spiel mit der Atmosphäre

Dieser Film arbeitet mit gekonnt platzierten Effekten. Ganze Sequenzen kommen ohne Filmmusik aus und entfalten genau damit ihr unheimliches Potenzial. Überladene Szenen findet man nicht. Genügend andere Filme zeigen das Negativbeispiel: Musik hier, Effekte dort – einfach nur des Effektes willen. Hier scheint jeder Ton und jede Nuance die Atmosphäre gekonnt zu unterstützen. So hört man die Schritte und das Atmen Robyns, als sie herausfinden möchte, woher die Geräusche kommen; aber keine störende Musik, die der Spannung nur hinderlich wäre. Auch in der ersten Stunde des Films, die im Vergleich zum Ende relativ harmlos wirkt, schafft es Regisseur Edgerton eine Spannung, ein Kribbeln herzustellen, das den Zuschauer in den Bann zieht.

Der zerrissene Ehemann

Jason Bateman macht seine Sache sehr gut: der liebevolle Ehemann, der seine Frau umsorgt, ihr ein wunderschönes Heim ermöglicht und die Karriereleiter steil hinaufklettert. Er schafft es, die Fassade des Simon glaubwürdig zu mimen und stellt unglaublich authentisch dar, wie diese allmählich bröckelt. Abgründe des Menschen, die jeder ein Stück weit in sich selbst nachvollziehen und entdecken kann, sind in dieser Figur vereint und Bateman versteht es, diese anschaulich vor der Kamera zu zeigen. Denn auch im wahren Leben gibt es gute Schauspieler – man weiß nie, wie gut man seine Freunde, Nachbarn und Familienangehörige wirklich kennt.

Empfehlung

Liebhaber eines guten Thrillers sind hier richtig: Dieser Film braucht keine brutalen Szenen, in denen Tonnen an Kunstblut umherspritzen und den Kinobesuchern ein doppeltes Orchester entgegendröhnt. Eine Geschichte mit perfiden Wendungen, die den Zuschauern unerwartet treffen und eine gelungene Inszenierung, die eine schaurige Atmosphäre zeichnet, überzeugen auf ganzer Linie.

Foto: flickr.com/Eric Torrontera (CC BY-ND 2.0)