Der Kult der Prominenz
von Sanja Döttling
Daniela Katzenberger, Markus Lanz und Justin Bieber. Sie alle sind uns bekannt wie unbeliebte Nachbarn. Doch während Nachbarn zahlenmäßig beschränkt auftreten, kommen Prominente im Rudel: Eine Promi-Inflation macht sich in den Zeitungen und Blogs breit. Rezipienten sehen hilflos und staunend zu. Jens Bergmann wollte sich der penetranten Aufmerksamkeitshascherei der Prominenz nicht mehr ungeschlagen hingeben. Er schrieb das Buch „Ich, Ich, Ich – Wir inszenieren uns zu Tode“, in dem er über die Hintergründe des bunten Promi-Zirkus aufklärt.
Am Montag kam der Journalist aus Hamburg nach Tübingen, um Studenten seine Thesen zu der „Soziologie des Seichten“, zu dem „Kult der Prominenz“, vorzustellen. Professor Bernhard Pörksen, der mit Jens Bergman zusammen Bücher wie „Skandal! Die Macht öffentlicher Empörung“ und „Medienmenschen: Wie man Wirklichkeit inszeniert“ verfasst hat, stellt das Buch in eine Reihe, die über die Selbst- und Fremdinszenierung in den Medien nachdenkt. Er nennt Bergmanns Ansatz „investigative Medienforschung“.
Prominent ist, wer prominent ist
„Ich fühle mich bedrängt, belästigt und verfolgt von Prominenten“, sagt Bergmann. Sein Buch ist deshalb ein Akt der Notwehr. Denn immer mehr Prominente drängen auf den Markt, formen eine Promi-Invasion, der man nicht entkommen kann. Das Absurde dabei: „Heute stehen zahlreiche Leute im Rampenlicht, die über keinerlei besondere Fähigkeiten verfügen“, so Bergmann. Das führt ihn zu seiner Grunddefinition: „Wer es – egal wie – schafft, über einen gewissen Zeitraum hinweg öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen, gehört dazu. Kurz: Prominent ist, wer prominent ist.“
Doch was sind die Gründe für C- und D-Promis, auch lange nach ihrem Verfallsdatum noch in den Medien, in Auffangbecken wie dem Dschungelcamp oder aber beim Promi-Dinner, zu erscheinen? Es ist, nach Bergmann, vor allem die Aufmerksamkeit der Massen, die Prominente anzieht wie Licht die Fliegen.
Außerdem bringt die Prominenz Vorteile. Prominente werden bevorzugt behandelt, außerdem ist der Promi-Zirkus ein lukratives Feld. Und wer will, kann einfach umsatteln. Prominenz gilt als „Meta-Qualifikation“, die man nutzen kann, um andere Berufe auszufüllen: Als Schriftsteller, Modedesigner oder allgemein als Medienmensch.
Promis als Projektionsflächen
„Die Reaktion auf diese Figuren ähnelt dem Kniesehnenreflex: Wenn wir ihre Namen hören oder lesen, haben wir spontan ihr Bild vor Augen und eine Meinung zu ihnen. Justin Bieber – der nervigste Teenie-Star aller Zeiten. Sahra Wagenknecht – die schönste Versuchung seit Rosa Luxemburg. Jogi Löw – zu gut angezogen für einen Mann. Angela Merkel – die Mutti der Kompanie“, sagt Bergmann. Promis dienen dem Publikum, also uns, als Projektionsfläche für Wünsche und Sehensüchte. Die parasoziale Beziehung zum Promi ist dabei immer folgenlos. Egal, wie sehr man über Lady Gaga lästert und klatscht – sie wird es nicht mitbekommen. Doch das Publikum hat auch Macht über die Promis. Bergmann sagt: „Es ist das Publikum, das entscheidet, wer prominent wird.“ Ein Beispiel ist der Eisbär Knut, den das Publikum zu seinem Liebling stilisierte.
Narzissmus der Stars
„Wir müssen uns Prominente als verwöhnte Gören vorstellen – nur ohne den segensreichen Einfluss von Kindergarten, Schule und Pubertät. Wie ungezogene Vierjährige tun sie alles, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie blühen auf, wenn sie Publikum haben, und fühlen sich entsetzlich leer, wenn sie mit sich allein sind“, sagt Bergmann. Kein Wunder, dass die meisten Promis sich als extrem ich-bezogen und narzisstisch erwiesen haben.
Kunstobjekt Prominenter
Prominente sind nicht wie echte Menschen. Denn ihr Image, das Bild, das von ihnen in der Öffentlichkeit der Medien verbreitet wird, ist ein Kunstobjekt. Bergmann sagt: „Wer prominent wird, gewinnt an Bekanntheit und verliert an Einfluss auf sein eigenes Bild in der Öffentlichkeit.“ Der Prominente wird zum Seriendarsteller seines eigenen Images.
Die Medien und die Prominenz – keine Liebesgeschichte
Ungesunde Verknüpfungen von Medien und Prominenz äußern sich vielfältig. Wie brisant dieses Thema ist, zeigt auch die Veröffentlichungsgeschichte des Buches. In einem Verlag wurde es akzeptiert, der Vertrag unterschrieben und die Fahne gedruckt. Dann aber bekam Jens Bergmann Post vom Verlagsleiter. Der wollte einige Stellen ändern; aus Margot Käßmann und ihrer„Trivialmoral“ sollte da beispielsweise die „engagierte Theologin“ werden. Als „peinliche PR-Prosa“ bezeichnet Bergmann dieses Vorgehen. Der Verlagsleiter hatte sich wohl zu sehr auf „seine“ Prominenten eingelassen, zu denen die Genannten gehörten.
Die Beziehung von Medien und Prominenten kränkelt. Bergmann bringt es so auf den Punkt: „Journalisten und Berühmtheiten sind einander häufig in inniger Verachtung verbunden – man braucht den anderen, hält aber nicht viel von ihm.“
Auf der einen Seite brauchen Medien die Promis, denn „Promis gelten als Universalwaffe im Kampf um Auflagen, Quoten und Klicks: Alles, was sie tun, lassen oder meinen ist es wert, verbreitet zu werden“, so Bergmann. Auf der anderen Seite nutzen Stars Journalisten als „Werbeonkel“ für ihre Kampagnen. Die Kontrolle, die PR-Leute dabei über die Journalisten haben, macht eine unabhängige Berichterstattung unmöglich.
Ein Teufelskreis?
Doch Promis schleichen sich nach und nach in alle Felder des Journalismus, eine allgemeine Boulevardisierung findet statt. Bergmann sagt: „So führt die Promi-Inflation zu einer Häufung von Null-Nachrichten – Prominenz schlägt Relevanz.“
Doch wie kann man die ungesunde Beziehung zwischen den Medien und den Prominenten entwirren? Bergmanns Idealvorstellung: „Augenblicks-Berühmtheiten, die nur bei einer bestimmten Leistung in die Öffentlichkeit gestellt werden. Prominenz sollte kein Status mehr sein.“ Im ersten Schritt sollte die Medienlandschaft ihr Schaffen und die Mechanismen der Promi-Inflation erst einmal hinterfragen.
Ich, ich, ich – Wir inszenieren uns zu Tode. Von Jens Bergmann. Erschienen im Metrolit-Verlag, Februar 2013.
Foto: Stefan Ostermeier
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