Unsplash: Alex Zarubi

Der Informationskrieg zwischen YouTube und Russia Today

Wie Desinformation aus Russland die deutsche Medienlandschaft beeinflusst

Von Franziska Moser

Geht es um Desinformation, ist immer wieder die Rede von einem bestimmten Land: Russland. Doch was hat es mit potenziell irreführenden Behauptungen des Kremls auf sich? Und welche Rolle spielen russische Staatsmedien in der Verbreitung von Desinformation hierzulande?

Vor wenigen Wochen wurde das russische Staatsmedium RT DE (ehemals Russia Today) aus der deutschsprachigen Youtube-Welt verbannt. Der Grund dafür: Die Verbreitung von Desinformation zur Corona-Pandemie. Dem Sender wurde zunächst vorübergehend die Erlaubnis entzogen, Inhalte auf der Plattform hochzuladen. Als RT stattdessen seinen Zweitkanal Der fehlende Part nutzte, um weiterhin Videos zu verbreiten, reagierte Youtube mit dem Entfernen beider Kanäle.

RT DE veröffentlichte daraufhin folgende Mitteilung: Youtube begründe das Entfernen der Kanäle mit „schweren oder wiederholten“ Verstößen gegen die Gemeinschaftsrichtlinien durch das Verbreiten von „medizinischer Fehlinformation in Bezug auf Covid-19“. Laut RT DE seien die zurückgewiesenen Beiträge teilweise mehrere Monate alt gewesen. Der Sender vermutet einen Zusammenhang zur Bundestagswahl und weist darauf hin, dass „Mainstream-Medien“ wiederholt vor einer möglichen Beeinflussung der Wahlen durch RT DE gewarnt hatten.

Hindernisse im Kampf gegen Desinformation

Zum Corona-Impfstoff zirkuliert im Netz jede Menge Desinformation. Eine neue Youtube-Richtlinie soll das nun bekämpfen. Bild: Pixabay.

Warum Youtube erst so spät gegen den Channel vorgegangen ist, bleibt unklar. Ein Teil des Problems mag sein, dass soziale Netzwerke ihre eigenen Richtlinien dafür festlegen, welche Inhalte sie dulden, und welche nicht. Nur ein Bruchteil der Inhalte, die von Youtube gelöscht werden, sind nicht mit dem deutschen Recht konform. Gleichzeitig geht Youtube wenig transparent mit den Gründen dafür um, warum genau welche Inhalte entfernt werden. Desinformation wird immer wieder von der Plattform gelöscht, gleichzeitig bleiben viele verschwörungstheoretische Kanäle bestehen. Ähnlich steht es auch um eine neue Youtube-Richtlinie, mit der die Plattform Falschinformationen zu Impfungen bekämpfen will. Trotz des neuen Leitsatzes bleiben unzählige vielgeklickte Anti-Impf-Videos online. Und auch neue Clips zum Thema wurden seitdem hochgeladen.

Ein weiterer Grund könnten finanzielle Anreize sein. Youtube verdient Geld mit der Werbung, die vor beliebten Videos geschaltet wird. Das gilt genauso für Videos, in denen Verschwörungs-theorien oder Falschinformationen zu Impfungen propagiert werden. Auch bei Instagram, Facebook & Co. verhält sich das nicht anders. Der Anzeigenverkauf ist für die Plattformen ein lukratives Geschäft. Somit profitieren die Netzwerke zunächst selbst von den Desinformations-Kampagnen, die bei ihnen geschaltet werden.

Russland im „Informationskrieg“

Die Reaktionen aus Russland zum RT DE-Youtube-Rausschmiss richten sich vor allem gegen Deutschland. Das russische Außenministerium spricht laut einem Artikel der Süddeutschen Zeitung von einem „beispiellosen Informationsangriff, der mit offensichtlicher Duldung, wenn auch nicht sogar auf Drängen der deutschen Seite begangen wurde“. Auch von einem „Informationskrieg“ ist häufig die Rede. RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan verkündet unterdes auf Twitter, dass sie auf ein Verbot deutscher Medien in Russland hoffe. Aber: Es handelt sich um eine Entscheidung von Youtube, nicht von der deutschen Regierung. Das macht auch deren Pressesprecher Steffen Seibert deutlich: „Die Bundesregierung oder Vertreter der Bundesregierung haben mit dieser Entscheidung nichts zu tun. Aus unserer Sicht gibt es überhaupt keinen Anlass für solche, wie Sie es nennen, Gegenschläge gegen deutsche Medien, die in Russland arbeiten.“

RT und SNA News: Die russischen Staatsmedien

Für Desinformation aus Russland ist nicht ausschließlich der Kreml verantwortlich. Bild: Pixabay.

Bereits seit Beginn der Pandemie fällt RT DE wiederholt mit Desinformation zu Covid-19 auf. Ende 2020 stellte der Sender etwa in Frage, ob es die zweite Corona-Welle überhaupt gebe. Besonders unter Corona-Leugner*innen und Querdenker*innen sind die RT-Inhalte beliebt und werden häufig geteilt. Aber auch vor der Pandemie machte der Sender Schlagzeilen mit Desinformation. RT DE und der russischen staatlichen Nachrichtenagentur SNA wird im Verfassungsschutzbericht von 2019 eine besondere Rolle darin zugeschrieben, die politische und öffentliche Meinung Deutschlands nach den Vorstellungen russischer Politik zu beeinflussen. Doch was genau steckt überhaupt hinter RT?

RT wurde 2005 als Russia Today vom russischen Staat gegründet. Der Sender ist heute, genau wie SNA News, Teil der staatlichen Mediengruppe Rossija Sewodnja (Russland heute). In Deutschland ist RT bislang nur im Internet vertreten, auf einer eigenen Website und in den sozialen Netzwerken. In Berlin hat der Sender nun ein neues Studio aufbauen lassen und über 200 neue Stellen ausgeschrieben. Ab Dezember sind von dort aus neue Formate, wie tägliche Nachrichtensendungen und Talkshows, geplant. Eine Sendelizenz hat das Medium aber noch nicht. Ob es diese jemals erhalten wird, bleibt unklar. In Luxemburg etwa wurde ein Antrag auf Sendelizenz bereits abgelehnt. Die Inhalte, die der Sender veröffentlicht, gelten in Kreisen, die den etablierten Medien nicht mehr über den Weg trauen, als willkommene Alternative. Vor allem in der Pandemie fällt auf, wie RT die Krise nutzt, um sich als unabhängige Alternative zu klassischen Medien zu präsentieren und mit seinen Inhalten das Vertrauen der Bürger*innen in demokratische Institutionen schwächt.

Aber nicht nur die russischen Staatsmedien sind dafür verantwortlich, dass hierzulande immer wieder falsche Behauptungen aus Russland in Umlauf kommen. Was hat das Land, abgesehen von RT und SNA News, noch mit Desinformation zu tun?

Was es mit Desinformation aus Russland auf sich hat

Einige der russischen Desinformations-Kampagnen gehen vermutlich vom Kreml aus. Dessen übergeordnete Ziele scheinen zu sein, den westlichen Zusammenhalt zu schwächen, das Vertrauen in öffentliche Institutionen, politische Führungskräfte und Parteien zu beeinträchtigen und Verunsicherung in Bezug auf Information und Fakten zu streuen – und so zu einem postfaktischen Zustand beizutragen. Desinformation wird zum Beispiel über „Troll-Armeen“ verbreitet. Das sind Unmengen an Angestellten, die gezielt darauf angesetzt werden, online Verwirrung zu stiften.

Der Kreml aber ist nicht, wie man zunächst vermuten könnte, im Alleingang verantwortlich für die Verbreitung von Desinformation. Tatsächlich sind neben der Regierung weitere Akteure im Spiel: Privatpersonen, Mitglieder des Staatlichen Sicherheitsdienstes oder Menschen, die in einer entfernten Verbindung zum Staat stehen. Auch Personen oder Institutionen, die sich außerhalb von Russland befinden, können eine Rolle spielen. Neben politischen Gründen wird Desinformation aus finanziellen Gründen oder auch aus Patriotismus verbreitet. Als Zielgruppe gelten oftmals Menschen mit Frustrationen gegenüber wirtschaftlichen, politischen, kulturellen oder sozialen Themen. Während der US-Präsidentschaftswahl 2016 tauchten zum Beispiel besonders viele falsche Behauptungen aus Russland zu Themen wie Grenzsicherheit, Immigration und Islamfeindlichkeit auf. Aber auch innerhalb der russischen Grenzen spielen Desinformations-Strategien eine Rolle. Durch falsche Meldungen sowie das dortige Informationsangebot versucht sich die Regierung abzusichern.

Desinformation aus Russland gelangt also über verschiedene Kanäle nach Deutschland. Zum Beispiel über Staatsmedien wie RT oder SNA News, genauso aber auch durch „Troll-Armeen“, die beispielsweise in Kommentar-Spalten in den sozialen Medien ihr Unwesen treiben. Verantwortlich für die falschen und irreführenden Behauptungen ist aber nicht ausschließlich der russische Staat – auch wenn dieser maßgeblich Einfluss auf die Staatsmedien nehmen kann. Außerdem ist Russland nicht der einzige Staat, der mittels Desinformation Manipulationsversuche im Ausland unternimmt. Ein weiterer Fall ist zum Beispiel China. Abzuwarten aber bleibt, ob und wie Russland nach dem Youtube-Rausschmiss von RT seine Drohungen gegen die deutschen Medien vor Ort in die Tat umsetzt.

Quellen:

Mazarr, Michael J. et al (2019): Hostile Social Manipulation. Present Realities and Emerging Trends. Santa Monica: RAND Corporation.

https://www.tagesschau.de/faktenfinder/rtde-youtube-101.html

https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/eu-sieht-deutschland-als-hauptziel-russischer-desinformation,SRAVp03

https://www.arte.tv/de/videos/103578-000-A/russia-today-moskaus-stimme-in-deutschland/

https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/regierungspressekonferenz-vom-29-september-2021-1964192

https://www.sueddeutsche.de/medien/youtube-rt-gegenmassnahmen-1.5424905

https://snanews.de/20210315/ueber-uns-1290570.html

https://www.tagesschau.de/ausland/eu-soziale-netzwerke-103.html

https://blog.youtube/news-and-events/managing-harmful-vaccine-content-youtube/

https://www.deutschlandfunk.de/russischer-staatssender-youtube-sperre-gegen-rt-wirft.2907.de.html?dram:article_id=503650

https://de.rt.com/inland/124950-youtube-sperrt-kanale-von-rt/ 

https://www.mediamatters.org/google/youtubes-new-anti-vaccine-crackdown-policy-already-falling-short