von Sandra Fuhrmann
Sie duften, sie fühlen sich gut an, sie können Emotionen wecken und mit manchen gehen wir eine Beziehung fürs ganze Leben ein. Für viele sind Bücher mehr als ein Gebrauchsgegenstand. Wir besitzen sie über Jahrzehnte, und jedes Mal, wenn wir sie lesen, nehmen sie ein Stück unserer eigenen Geschichte in sich auf. Aber wie viel ist uns diese Beziehung eigentlich wert?
Buchpreisbindung – sinnvoll oder sinnlos?
Der 11. März 2012 – ein „schwarzer Tag für den Schweizer Buchhandel“, titelt das Magazin Buch Markt. Es ist der Tag, an dem die Schweizer Bevölkerung über das Gesetz zur Buchpreisbindung abstimmt – und sich mit 58 % dagegen entscheidet. Die Buchpreisbindung zieht eine Kluft durch ganz Europa. Während beispielsweise Frankreich, Italien, die Niederlande und Österreich Preise für Bücher festlegen, fehlt diese Regelung in Belgien, Großbritannien, Irland oder Schweden.
In Deutschland sind die Preise für Bücher seit Oktober 2002 gesetzlich gebunden. Das bedeutet, dass genau wie bei Tabakwaren oder Arzneimitteln vom Produzenten, in diesem Fall den Verlagen, der Preis für ein Buch anfangs festgelegt werden muss. Dieser muss auch beim Verkauf vom Händler an den Endkunden eingehalten werden. Somit ist es zum Beispiel Discountern nicht möglich, ein Buch billiger an den Mann zu bringen, als das ein traditionelles Buchgeschäft könnte. Ausnahmen von der Regel sind lediglich Bibliotheken- und Schulbuchnachlässe, Kollegenrabatt, Lehrerprüfstücke oder Mängelexemplare.
Schleichpfade
Ein Gesetz – tausend Wege es zu umgehen. Amazon wählte den, beim Kauf von Büchern Gutscheine an seine Kunden zu verteilen. Im so genannten „Startgutscheinfall“ entschied das Gericht jedoch gegen den Online-Buchhändler und verbot diese Art des Preisdumping. Was aber, wenn die Gutscheine nicht vom Händler selbst, sondern von anderen Firmen aus Werbezwecken finanziert werden? Hier brachten gleich mehrere Fälle die Köpfe von Deutschlands Richtern zum rauchen. Ein Beispiel ist das der Firma Studibooks, die 10 % des Kaufpreises ihrer Fachbücher von Unternehmen finanzieren ließ. Auch hier fiel die Entscheidung des Gerichts zuungunsten des Händlers aus. Die richterliche Begründung lautete, dass Studibooks zwar letztendlich den festgelegten Preis der Bücher erhalte, jedoch durch die Erwähnung auf der Homepage des Buchhändlers ein Werbeeffekt für die Unterstützerfirmen entstehe. Das Geld für diese Werbung hatte Studibooks von den Firmen nie erhalten. Dementsprechend müsste der Buchhändler die Werbekosten zusätzlich zu den 10 % des Buchpreises von den Unternehmen verlangen. Das aber war nicht geschehen.
Die Schleichwege der Händler sind gut getarnt. Gerade für Kunden dürfte es schwierig sein, ihnen auf die Fährte zu kommen. Die mit der Überwachung der Preisbindung beauftragten Preisbindungstreuhänder sind der Meinung, dass entscheidend sei, ob der Kunde im Angebot des Händlers eine Vergünstigung erkenne. So nämlich schafft sich der Verkäufer einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen. Genau das soll das Gesetz aber ausschließen.
Größe vs. Innovation?
Buchpreisbindung – der Beschützer der Kleinen und Schwachen? Das sehen nicht alle so. Philip Karger ist ehemaliger Geschäftsführer einer Schweizer Buchhandlung. Kleinen Buchhändlern nützt eine Preisbindung seiner Meinung nach nichts. Die Chancen, die sich ohne das Gesetz gerade für kleine Händler auftun, sieht er in der Innovativität der Unternehmer. Der Marketingexperte Leander Watting betrachtet die Preisbindung gerade für den Online-Markt sogar als Gefahr. Karger prognostiziert derweil, dass in fünf bis zehn Jahren 75 % des Buchmarkts elektronisch sein werden. Eine ähnliche Entwicklung, wie wir sie in den letzten Jahren in der Musikbranche erlebt haben.
Den unerschütterlichen Liebhabern von Papiergeruch, rauen Seiten unter den Fingern und Eselsohren, die die Geschichte von Jahren der wiederholten Lektüre erzählen, dürften an dieser Stelle die Tränen kommen. E-Books machen inzwischen 35 % von Amazons Buchverkäufen aus. Die Reader machen digitalisierte Bücher in Sekundenschnelle abrufbar. Dateien sind wesentlich günstiger als gedruckte Bücher. Gerade Amazon bietet unbekannten Autoren die Möglichkeit ihre Werke auf diesem Weg als so genannte „Direct Publisher“ zu veröffentlichen. Das wird auch Konsequenzen für die Buchpreise haben. Jüngst bot der Berliner Verlag „Berlin Story“ ein E-Book kostenlos zum Download an – und die Kunden konnten den Betrag spenden, den ihnen das Buch wert war. Doch genau das wurde verboten – wegen der Buchpreisbindung.
Das Internet öffnet viele Türen und ermöglicht uns immer wieder neue Vertriebswege. Was man in Deutschland nicht bekommt, kann man sich im Internet von ausländischen Anbietern besorgen – und dann vielleicht auch ohne Buchpreisbindung. Diese Entwicklung kann man nicht aufhalten, stattdessen müssen sich die Verlage fragen, wie sie auf die Digitalisierung reagieren. Am 23. April ist Welttag des Buches. Vielleicht ein Anlass für jeden sich ganz persönlich die Frage zu stellen: Wie viel sind mir Bücher eigentlich wert?
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