The Winner Will Be…. Das Oscar-Horoskop

von Marius Lang und Selina Juliana Sauskojus

Heute abend steigt die große Oscar-Verleihung. Unsere beiden Filmfanatiker Marius und Selina wagen schon jetzt eine Prognose: Wer wird die meisten Goldjungs mit nach Hause nehmen? Wer brilliert in den großen Kategorien? Wer fiel bei der Academy durch?

Und um die Wette noch spannender zu machen: Derjenige, der am Ende mehr Kategorien falsch vorausgesagt hat, muss zur Strafe den mit Abstand schlechtesten Film des Jahres schauen. Twilight: Breaking Dawn, Teil 2. Bei der Verleihung der Goldenen Himbeere hat der Abschluss der Vampir-Liebesschnulze gleich sieben Trophäen abgesahnt und stellt somit die gerechte Strafe für unseren schlechtesten Hobby-Filmwahrsager dar.

Heute abend sind wir von media-bubble.de live vor dem Bildschirm und teilen die neuesten Entwicklungen auf facebook und twitter. Doch bevor es soweit ist, sagen wir:

And the Winner Will Be…..

Favorit

Ben Afflecks bisweilen bissiger Thriller Argo kann getrost als der große Favorit des Abends gewertet werden. Und das zu Recht. Die Geschichte um die Befreiung von sechs US-Amerikanern aus Teheran, indem man sie als Team eines fingierten Hollywoodfilms tarnt, weiß gleichermaßen zu fesseln und eine Hommage an Hollywood selbst darzustellen. Auch Stephen Spielbergs Historienfilm Lincoln kann als Favorit gesehen werden, alleine weil er das Leben von Amerikas Lieblingspräsident sympathisch und glaubwürdig auf die Leinwand bannte. Amerika liebt bekanntlich diese Form des Patriotismus.

Favorit

Die großen Favoriten in diesem Jahr sind definitiv Argo, Life of Pi und Lincoln. Nachdem Hollywood im vergangenen Jahr vor allem den französisch-produzierten Film The Artist mit Preisen überhäufte, ist es in diesem Jahr wieder an der Zeit, sich und seine eigene Filmindustrie zu feiern. Deswegen werden vor allem Argo und Lincoln die Nase vorhaben. Argo wird, der Gewinner des Abends werden. Vier von sieben Preisen müssten für das Werk eigentlich drin sein.

Verlierer

Verlierer des Abends werden Quentin Tarantinos jüngster Film Django Unchained und Kathryn Bigelows „Let’s kill Osama“-Actionfilm Zero Dark Thirty. Vor allem letzterer ist wesentlich schwächer als man es von Bigelow gewöhnt ist und verdient den Sieg in den Königskategorien nicht. So manch einer würde auch Benh Zeitlin Indie-Perle Beasts of the Southern Wild zu den Verlierern zählen, doch der wunderschöne Low-Budget-Film gilt als derartiger Außenseiter, dass allein seine Nominierungen in den großen Kategorien wie „Bester Film“ oder „Beste Hauptdarstellerin“ schon als Sieg zu werten sind.

Verlierer

Obwohl Liebe von Michael Haneke und Silver Linings Playbook von David O. Russell wohl kaum die Abräumer des Abends sein werden, haben sie im Vorfeld schon gewonnen. Diese im Vergleich kleinen Produktionen werden es verschmerzen können, vielleicht nur einen oder zwei Preise mitzunehmen. Enttäuschend wird die Ausbeute von Les Misérables von Tom Hooper und Life of Pi. Für letzteren werden maximal drei Preise in den Nebenkategorien anfallen.

Missachtet

Man kann der Academy dieses Jahr nicht vorwerfen, eine schlechte Auswahl getroffen zu haben. Ja, The Hobbit hätte mehr Nominierungen verdient, ja, Leonardo DiCaprio (der ewig missachtete) hätte nicht weniger als Waltz verdient, für Django Unchained nominiert zu sein und ja, fantastische Filme wie Cloud Atlas, The Best Exotic Marigold Hotel oder Hitchcock sucht man vergeblich, aber das alles kann man verzeihen. Alles in allem hat sich die Academy dieses Jahr viel Mühe gegeben, eine vielfältig Auswahl zu treffen.

Missachtet

Obwohl Filme wie Cloud Atlas und Ziemlich beste Freunde als beste Filme des Jahres 2012 gezählt werden können, bei den Oscars wurden sie nicht berücksichtigt. Aber aufgrund der ansonsten guten Auswahl, wird man dieses Manko verschmerzen können.Warum allerdings Jean-Louis Trintignant keine Nominierung für seine herausragende (!!!) Leistung in Liebe erhalten hat, ist ein Rätsel.

Bester Film

Argo wird in dieser Kategorie verdientermaßen wohl das Rennen machen. Dies sei ihm von Herzen gegönnt. Ben Affleck zeigt sein Talent als Regisseur und schuf einen brillanten, zu keiner Sekunde langweiligen Thriller mit hochkarätiger Besetzung. Er schafft es dabei, Hollywood selbst den Spiegel vorzuhalten. Doch ein anderer Film hätte es noch weit mehr verdient in der wichtigsten Kategorie zu gewinnen. Der Independent-Film Beasts of the Southern Wild schafft es mit traumhaften Bildern von einem märchenhaften Ort in den Sümpfen Louisianas und einer großartigen Darstellerin zu trumpfen. Für mich der wirklich beste Film des Jahres und der schönste Film, den ich seit langem gesehen habe.

Bester Film

Mit neun Nominierungen hat es sich die Academy dieses Jahr nicht einfach gemacht. Gönnen würde man es allen, außer Zero Dark Thirty, der in dieser Kategorie der am wenigsten geglückte Beitrag ist. Aber wie bereits erwähnt: das Motto in diesem Jahr ist Patriotismus, weswegen in dieser Kategorie Argo und Lincoln die Nase vorne haben. Die besten Karten hat allerdings Argo, denn dieser streichelt nicht nur das amerikanische Gemüt, sondern insbesondere auch das von Hollywood. Dass die Macht der Filmindustrie nicht nur unterhalten, sondern auch Leben retten kann – das werden Hollywoods Filmschaffende belohnen wollen.

Beste Regie

Es ist eigentlich eine Frechheit, dass Ben Affleck nicht für seine Mitarbeit in Argo nominiert ist, denn auch hier wäre der Preis eindeutig verdient gewesen. Statt dessen werden die Platzhirsche Ang Lee für Life of Pi und Spielberg für Lincoln den Wettkampf unter sich ausmachen. Mein Favorit ist hierbei Spielberg. Michael Haneke (Amour), Benh Zeitlin (Beasts of the Southern Wild) und David O. Russel sind dagegen eher Aussenseiter.

Beste Regie

In dieser Kategorie haben Michael Haneke (Liebe), Benh Zeitlin (Beasts of the Southern Wild) und David O’Russell (Silver Linings Playbook) bestenfalls Außernseiterchancen. Das Rennen wird am Ende Hollywood-Urgestein Spielberg machen. Mit Lincoln gelang ihm einer der besten Filme seiner gesamten Karriere.

Bester Haupt-/Nebendarsteller

Es wird wohl eine Entscheidung zwischen Daniel Day-Lewis für die Darstellung des Abraham Lincoln und Hugh Jackman für seine brillante Leistung als Jean Valjean in Tom Hoopers Musicalfilm Les Misérables. Ersterer wird dabei wohl das Rennen machen. Day-Lewis‘ Abraham Lincoln wirkt durchweg glaubwürdig, was vor allem dem enormen Talent des Darstellers zu verdanken ist.

Bei dem besten Nebendarsteller trifft man auf viele bekannte Gesichter und mit Ausnahme von Phillip Seymour Hoffman sind sie auch schonmal Preisträger als beste Nebendarsteller gewesen. Für Christoph Waltz ist die Konkurrenz groß und ihm diesmal auch weitgehend überlegen. Als Sieger hervorgehen wird wohl Tommy Lee Jones, der einen radikalen Sklavereigegner in Lincoln verkörpert und dabei auch dank seiner gezielten und energiereichen Darstellung nicht nur die besten Sprüche des Films sondern auch die Sympathien des Publikums für sich beanspruchen kann.

Bester Haupt-/Nebendarsteller

Bei den besten Hauptdarstellern wird es in diesem Jahr ein heißer Tanz zwischen Joaquín Phoenix und Daniel Day-Lewis. Day-Lewisspielt „seinen“ Lincoln mit einer solchen Liebe und einer solchen Kraft, dass man meinen will, der Gewinn des Awards wäre ein Selbstläufer. Aber: Joaquín Phoenix hat in seiner Rolle als Weltkriegsveteran und Sektenanhänger die wohl beste Leistung seiner Karriere abgeliefert. Er bringt seine Figur mit einer unglaublichen Intensität auf die Leinwand, wie man es selten erlebt.

Die härteste Kategorie ist die der Besten männlichen Nebendarsteller. Tommy Lee Jones, Philip Seymour Hoffman, Alan Arkin und Christoph Waltz glänzten wahrlich in ihren Rollen. Alles in allem muss man aber sagen: Christoph Waltz hat in Django Unchained wieder mal die Leinwand beherrscht. Er war präsenter als in Inglorious Basterds, konnte mehr Facetten von sich zeigen und seine Kollegen, keine geringeren als Jamie Foxx, Leonardo DiCaprio und Samuel L. Jackson, regelrecht an die Wand spielen. Es wird eine Zitterpartie, aber letztend Endes wird Waltz die Trophäe mit nach Hause nehmen.

Beste Haupt-/Nebendarstellerin

Quvenzhané Wallis hat den Preis schon mit nur neun Jahren mehr als verdient. Sie wirkt so glaubwürdig und liebenswert und beweist ein Talent, das man einem so jungen Mädchen nicht zugetraut hätte. Mehr muss dazu nicht gesagt werden. Einzig echte Konkurrenz für Wallis stellt Emmanuelle Riva dar, die kraftvolle Hauptdarstellerin in Liebe. Die Französin hätte den Oscar ebenfalls verdient, doch ist, anders als Wallis, eine Darstellerin mit jahrzehnten Erfahrung.

Bereits den Golden Globe konnte Anne Hathaway zurecht für sich beanspruchen. Der Oscar als beste Nebendarstellerin wird mit Sicherheit folgen, was nicht an der Konkurrenz liegt, die erwartungsgemäß hochkarätig ist. Anne Hathaways Screentime in Les Misérables ist allerdings wesentlich kürzer als die ihrer Gegner in ihren jeweiligen Filmen. In den knapp 30 Minuten gibt Anne Hathaway jedoch alles und verzaubert das Publikum mit ihrer Darstellung und ihrem musikalischen Talent. Sie stellt das unglaublich tragische Schicksal der Fantine mitreisend und perfekt dar.

Beste Haupt-/Nebendarstellerin

Auch in der Kategorie der besten Hauptdarstellerin kommt es wohl zu einem Duell. Nominiert und favorisiert sind nämlich Quvenzhané Wallis, die jüngste Nominierte in der Oscargeschichte, und Emmanuelle Riva, mit 85 Jahren die älteste Nominierte. Wallis spielte ihre Rolle als kleine Hushpuppy so zauberhaft, so ehrlich, dass man ihr jeden erdenklichen Erfolg gönnen möchte. Emmanuelle Riva allerdings bezauberte mit ihrer Darstellung einer Sterbenden nicht, im Gegenteil: sie entzauberte, entromantisierte das Sterben einer alten Frau. Am 24. Februar, dem Tag der Oscarverleihung, feiert Emmanuelle Riva ihren 85. Geburtstag. Ein Oscar wäre das verdiente Geschenk.

Die Kategorie der Besten Nebendarstellerin ist ausgemachte Sache. Anne Hathaways Auftritt in Les Misérables muss gewinnen. In kurzer Zeit ist sie präsent, singt sich die Seele aus dem Leib und kämpft als Fantine um den Lebensunterhalt für ihre Tochter Cozette. Für ihre Leistung, vor allem im Vergleich zum restlichen Feld, wird ihre Auszeichnung mehr als verdient sein.

 

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