Das Oscar-Horoskop

Heute Nacht ist es mal wieder so weit – die Stars werfen sich in ihre Abendgarderobe und begeben sich zu dem wichtigsten Event des Jahres: der Oscar-Verleihung. Und auch dieses Mal versuchen zwei unserer Redakteure Prognosen über ihre Gewinner und Verlierer des Abends zu verteilen.

Außerdem:  Wer sich am häufigsten vertippt hat, muss zur Strafe den schlechtesten Film 2014 ertragen. Diese Wahl dürfen wir wie jedes Jahr freundlicherweise dem Komitee der Goldenen Himbeere überlassen. Dieses Jahr ist der gelobte Verlierer „Kirk Cameron’s Saving Christmas“.

 

 Marius Lang:  Jasmin M. Gerst:

Favorit

Mit jeweils neun Nominierungen führen Alejandro González Iñárritus Birdman und Wes Andersons The Grand Budapest Hotel die diesjährigen Oscars an. Das ist nichts anderes als angenehm, da es sich bei beiden Filmen um Komödien in verschiedenen Graden der Schwärze handelt, angenehm frisch und nicht das übliche bierernste Awardfutter, dass sich sonst so in den vorderen Rängen der Academy Award tummelt.

Auch Boyhood von Richard Linklater (sechs Nominierungen), ein über Jahre hinweg nach und nach gedrehter Meilenstein der Filmgeschichte, kann sich zu den Favoriten zählen, vor allem für die ganz großen Preise.

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Meine persönlichen Favoriten dieses Jahr sind The Imitation Game und Die Entdeckung der Unendlichkeit, da beide absolut faszinierende und schicksalhafte Geschichten erzählen. Mit seinen acht Nominierungen wird für mich aber The Imitation Game Abräumer des Abends werden.

 

Verlierer

Schon vor Vergabe der Preise zeichnet sich ein Verlierer deutlich ab: Die Diversität in der Hollywood-Filmlandschaft. Unter den nominierten Schauspielern weit und breit nur Weiße, unter den Regisseuren keine einzige Frau. Ein bisschen traurig, dass es sich bei der Academy nach wie vor zu großen Teilen um eine elitäre Gemeinschaft weißer Männer handelt.

Auch davon abgesehen wird es einige Verlierer geben. Zum einen verdientermaßen Clint Eastwoods bislang schlechtester Film, American Sniper, bei dem es ohnehin verwundert, warum er so oft nominiert ist. Trauriger ist da schon die Tatsache, dass The Imitation Game wohl weitgehend leer ausgehen wird. Doch die Konkurrenz in allen Kategorien, in denen er nominiert ist, ist einfach zu groß.

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Birdman gilt als großer Favorit der diesjährigen Oscars. Meiner Meinung nach ist die Konkurrenz aber zu stark, es gibt zu viele gute Filme dieses Jahr und deshalb glaube ich, dass es für Birdman eng werden könnte. Leer ausgehen wird er keineswegs, aber neun Oscars wird er definitiv nicht gewinnen. Auch Grand Budapest Hotel muss heute Abend schwer kämpfen, um alle Nominierungen in Oscars zu verwandeln.

Missachtet

Dass Selma-Regisseurin Ava DuVernay nicht ihren mehr als verdienten Platz in der Reihe der Nominierten einnehmen konnte, zeigt, wie weit es mit der Diversität in Hollywood her ist. Gleichermaßen und für den selben Film übergangen wurde David Oyelowo, der in Selma bahnbrechend als Martin Luther King auftritt und eigentlich als bester Darsteller hätte nominiert werden müssen.

Ebenfalls weitgehend missachtet war David Finchers brillanter Thriller Gone Girl und natürlich The Lego Movie, bei dem nicht nur ich nicht verstehen kann, warum er nicht als bester Animationsfilm nominiert ist.

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Die Filmauswahl der Academy ist dieses Jahr sehr gelungen. Allerdings fällt mir vor allem der Gehypteste des letzten Jahres ein: Interstellar galt als Film des Jahrhunderts, Matthew McConaughey und Anne Hathaway wurden bis in den Himmel gelobt. Nominiert wurde allerdings nur das beste Szenenbild, Filmmusik, Ton und Schnitt sowie Effekte. Regie oder schauspielerische Leistung – also die wichtigsten Kategorien – wurden nicht berücksichtigt.

Bester Film

Boyhood kann getrost als der große Favorit in dieser Kategorie genannt werden. Linklater hat es nicht nur geschafft, das Leben eines heranwachsenden seiner Zeit perfekt zu inszenieren, er schaffte es auch, sein Cast beisammen zu halten, was über die Zeitspanne von über zehn Jahren kein leichtes ist. Zwar hätten auch Birdman, The Grand Budapest HotelThe Theory of Everything und natürlich Selma den Preis mehr als verdient, doch Boyhood wird wohl am Ende das Rennen machen. Nicht unverdient, will man anmerken.

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Definitiv The Imitation Game – der Film war einfach grandios, Benedict Cumberbatch in Höchstform und das muss einfach belohnt werden. Die Verfilmung über den britischen Logiker und Mathematiker Alan Turing und dessen Versuche ,den Enigma Code zu knacken, ist unbeschreiblich gut. Außerdem zeigt der Film Turings Homosexualität und die Probleme, die er dadurch in seiner Zeit hatte.

Beste Regie

Und auch wenn mein Verstand sagt, dass Linklater für Boyhood wohl den Goldjungen mit nach Hause nehmen wird, so muss ich hier doch meinem Bauchgefühl folgen. Gebt Wes Anderson seinen Oscar. The Gand Budapest Hotel ist einer der besten Filme seiner Karriere und andere Regisseure träumen nachts davon, ein solches Meisterwerk irgendwann zu schaffen.

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Wie gesagt – Abräumer des Abends wird für mich The Imitation Game sein und deshalb auch Morten Tyldum in der Kategorie beste Regie. Allerdings ist seine Konkurrenz stark, auch Alejandro González Iñárritu (Birdman) und Wes Anderson (Grand Budapest Hotel) werden sehr weit vorne dabei sein. Es wird also ein enges Rennen dieses Jahr beim Oscar – und das nicht nur in der Kategorie Regie.

Bester Haupt-/Nebendarsteller

Zwei Schauspieler sind die großen Favoriten in dieser Kategorie: Michael Keaton für seine phänomenale Darstellung des abgehalfterten Superheldendarstellers Riggan Thomson in Birdman und Eddie Redmayne für seine unter die Haut gehende Rolle als Stephen Hawking in The Theory of Everything. Beide haben sehr gute Chancen, beide haben den Preis mehr als verdient. Und ich schäme mich ein bisschen dafür, dass man mich daran erinnern musste, was für ein großer Schauspieler Michael Keaton ist. Dieser ist auch mein Favorit, auch wenn es sich hier wieder mehr um eine Herzenssache handelt.

Leichter ist da schon die Entscheidung für den besten Nebendarsteller. Die übrigen Nominierten (nebenbei alle wirklich exzellent in ihren jeweiligen Filmen) dürfen brav das gratulieren vor dem Spiegel üben, denn die Entscheidung muss eigentlich für J. K. Simmons ausfallen. In Whiplash und der Rolle des unausstehlichen Terence Fletcher, dem härtesten Musiklehrer der Welt, zeigt Simmons erneut, wie brillant er eigentlich ist.

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Keine ist eindeutiger für mich als diese: Eddie Redmayne wird den Oscar als bester Hauptdarsteller mit nach Hause nehmen. Seine Rolle als Stephen Hawking in The Theory of Everything spielt dieser so genial, er macht dessen Bewegungen zu seinen eigenen und am Ende des Films könnte man sogar meinen er wäre Hawking persönlich. Absolut bewundernswert und absolut verdient.

Als bester Nebendarsteller steigt für mich Mark Ruffalo in den Ring. In Foxcatcher spielt er den erfolgreichen Ringer David Schultz. Sein größter Konkurrent könnte Ethan Hawke werden, der in dem 12-Jahres-Film Boyhood den Vater spielt,

Beste Haupt-/Nebendarstellerin 

Die Besten sind Julianne Moore als die Alzheimer-Kranke Dr. Alice Howland und Rosamund Pike, in Gone Girl in der Rolle der Amy Elliott-Dunne, einer Figur mit zwei Gesichtern, bei dem man nie genau weiß, woran man bei ihr ist. Favorisieren würde ich hierbei allerdings Julianne Moore, schlicht, weil die Academy ähnliche Rollen schon öfter honoriert hat.

Es sind scheinbar immer die Kategorien der Nebendarsteller, die bereits im vorhinein absolut fest stehen. Auch hier sehe ich wenig Konkurrenz für Patricia Arquette als alleinerziehende Mutter des jungen Mason Evans in Boyhood. Ach, und Meryl Streep (Into the Woods) ist ebenfalls nominiert. Welche Überraschung.

Beste Hauptdarstellerin ist für mich Rosamund Pike als die verschwundene Ehefrau in Gone Girl. Ich habe das Buch gelesen und erst vor ein paar Tagen den Film geschaut und ich bin überwältigt von ihrer Leistung eine so kranke und verrückte Frau zu verkörpern.

Allerdings wird es auch hier eng werden für sie, da sie große Konkurrenz von Julianne Moore bekommt. In Still Alice spielt diese eine Frau, die viel zu früh an Alzheimer erkrankt.

Zwar wird Meryl Streep als beste Nebendarstellerin für ihre Rolle in Into the Woords als große Favoritin gesehen, aber die dreifache Oscar-Preisträgerin wird meiner Meinung nach dieses Mal wieder leer ausgehen. Mein Oscar geht an Emma Stone für ihre Leistung in Birdman als Tochter.

 

 

Foto: flickr.com/Prayitno (CC BY 2.0)