Bedrohung Liebe
Von Jasson Schuler
Der Film „Volontaire“ von Hélène Fillières handelt von einer jungen Frau namens Laure (Daine Rouxel), die sich auf der Suche nach ihrem Weg freiwillig bei der französischen Marine meldet. Dort stößt sie auf eine ganz eigene Welt und macht eine Wandlung durch. Aber nicht nur sie hat mit den neuen Umständen so ihre Schwierigkeiten.
Man könnte meinen, nach über 20 Jahren Militärdienst hat ein dienstgradhoher Offizier allerhand erlebt und lässt sich so leicht durch nichts mehr aus der Ruhe bringen. Doch plötzlich ist alles anders: Er kann sich nicht mehr konzentrieren, scheint ständig geistig abwesend zu sein, als ob ihm irgendetwas schwer zu schaffen macht. Aber was könnte es sein, was den gestandenen Kapitän zur See Rivière (Lambert Wilson) so quält? Schwierige taktische Entscheidungen, die das Leben seiner Männer kosten könnte? Eine übermächtige feindliche Bedrohung?
Es ist eine „kleine Mademoiselle“, die den Arbeitsplatz in seinem Vorraum eingenommen hat.
Laure ist 22 Jahre alt und weiß nicht, wo sie ihr Weg hinführen soll. Also verschickt sie an diverse Unternehmen und Institutionen Bewerbungen. Die französische Marine sagt als einzige sofort zu und zeigt sich interessiert an der sprachbegabten jungen Frau. Also beginnt Laures neues Leben beim Militär. Im Stützpunkt der Marine direkt am Meer verbringt sie nun einen Großteil ihres Lebens und kümmert sich um bürokratische Aufgaben. Als Protokoll-Offizierin hat sie ihren Arbeitsplatz direkt im Vorraum des dienstgradhöchsten Offiziers, dem „schrecklichen“ Commandant Rivière, dem sie als rechte Hand dient. Unter seinen Kameraden gilt er als unnahbar und hart.
Während Laure ihre Leichtsinnigkeit und Naivität gegen eine harte Schale wechselt, um sich ihrem Umfeld anzupassen, durchlebt der Commandant eine umgekehrte Entwicklung. Es ist eine romantische Spannung zwischen ihm und Laure zu spüren. Doch die Gefühle kommen denkbar ungünstig: Laure ist eigentlich in einer Beziehung und Rivière hat eine befehlshabende Position – ganz abgesehen von dem Altersunterschied. Beide leiden unter den Hindernissen, die ihrer Liebe in den Weg gelegt werden, dennoch gehen beide ihren Weg – auch wenn dieser sie letzten Endes voneinander entfernt.
Die gesamte emotionale Kommunikation der beiden findet non-verbal im Subtext statt, um die militärische Ordnung zu wahren. Trotzdem kommt es ab und an zu Problemen. Dieser Konflikt zwischen militärischer Disziplin, klarer Hierarchie, asexueller Kameradschaft und Liebe, die keine Regeln kennt, sorgt dafür, dass der Zuschauer mit den Protagonisten leidet und lacht.
Trotz toller schauspielerischer Leistungen der Hauptdarsteller hat der Film seine Schwierigkeiten, in einem, aber elementaren Bereich zu überzeugen: Als jemand, der das Militär schon einmal von innen gesehen hat, stolpert man über zahlreiche unrealistische, fast schon klischeehafte Darstellungen – typische Bilder, wie sich ein Zivilist das Leben bei der Armee vorstellen mag.
Zum Beispiel gibt es laut dem Film angeblich zwei verschiedene Arten von Soldaten: einmal den gewöhnlichen Soldaten, der scheinbar ausschließlich bürokratische und formale Pflichten hat. Dann gibt es da noch den Elitesoldaten, der den ganzen Tag nur quer über das Kasernengelände oder die Hindernisbahn rennt. Der einfache Soldat ist entweder im Büro oder in der Kantine in Uniform unterwegs und hat sogar so wenig zu tun, dass sich niemand daran stört, wenn er einen Großteil seiner Dienstzeit am Fenster steht und nachdenklich auf die schroffe, wilde Küstenlandschaft Nordfrankreichs hinausschaut.
Auch eine militärische Grundausbildung ist zu keinem Zeitpunkt ein Thema. Ein Soldat, der nicht eine Sekunde eine Ausbildung an der Waffe oder den infanteristischen Grundfertigkeiten erhalten hat, kann wohl kaum als solcher bezeichnet werden. Die Vorstellung, dass ein Zivilist einen militärischen Sicherheitsbereich betritt, ein kurzes Gespräch führt, eingekleidet wird, ein geräumiges Einzelzimmer und ein eigenes Büro erhält und von nun an als „Leutnant“ angesprochen wird – und das alles an einem Tag –, ist so absurd, dass es den Film in seiner Glaubwürdigkeit so sehr beeinträchtig, dass man darüber nicht hinwegsehen kann.
Ein „Basiskurs“ erwartet die junge Offizierin dann aber doch noch. Allerdings beschränkt er sich auf einen zweiwöchigen bürokratischen Lehrgang in Klassenzimmeratmosphäre. Nach einer körperlichen Auseinandersetzung in einer Bar kommt Laure aber dennoch merkbar taffer als vorher zurück. Verständlich, denn für eine Soldatin, die es sonst nur gewohnt ist, ein Einzelzimmer zu bewohnen, muss es schon an eine Extremerfahrung grenzen, nun den Raum mit mehreren anderen Kameradinnen zu teilen.
Am meisten schadet „Volontaire“ tatsächlich die unrichtige bis alberne Darstellung der militärischen Welt, die für einen Film, der sich in ebendieser Welt abspielt, essentiell ist. Schließlich gehört zu einem Film, in dem es um eine Liebschaft im Militär geht, nicht nur eine überzeugende Liebesgeschichte, wie sie „Volontaire“ vorweisen kann. Mindestens genauso wichtig ist eine überzeugende und authentische Darstellung der Welt des Militärs, die sofort Risse bekommt, wenn man sich auch nur ein bisschen auskennt. Nimmt man diese Thematik aber nicht ganz so ernst, so kann man dennoch einen unterhaltsamen Film mit einer aufwühlenden Liebesgeschichte genießen.
VOLONTAIRE, Frankreich 2018 – Regie: Hélène Fillières. Buch: Hélène Fillières, Mathias Gavarry. Kamera: Éric Dumont. Mit Diane Rouxel, Lambert Wilson und Corentin Fila. 101 Min.
Quelle des Fotos: © Gaumont Distribution