Bachelorarbeit in Tansania (2/4)

Von Hannah Baumecker

Lasset die lange Reise meiner Bachelorarbeit beginnen… In diesem Blogpost könnt ihr nachlesen wie der erste Teil des Austauschs verlief und wie es sich anfühlt für eine Studentin, die selbstständige, akademische Arbeitsweise der Uni (gezwungenermaßen) abzulegen.

Lange habe ich mir im Voraus Gedanken gemacht, wie alles ablaufen wird; habe mir ausgemalt wie das Projekt konkret aussehen wird und dann ging es endlich los. Die Koffer waren schnell gepackt und die Reise nach Stuttgart, genauer gesagt nach Untertürkheim, schnell zurückgelegt.

In der Jugendherberge in Untertürkheim angekommen, habe ich mich gefühlt, als hätte ich eine Zeitreise in die Vergangenheit gemacht. Vom Zeitpunkt der Ankunft an lief alles ab wie auf einer Klassenfahrt in der zehnten Klasse. Wir Teilnehmenden wurden auf Zweierzimmer verteilt und mussten dort unsere als erstes unsere Betten beziehen.

 

Das Aufeinandertreffen zweier Kulturen im Industriegebiet in Untertürkheim

Erstes Aufeinandertreffen am Untertürkheimer Bahnhof. Foto: LKJ

Später am Tag holten wir die afrikanischen Gruppenmitglieder am Bahnhof ab. Die Gruppe war über Nacht geflogen und hatten dementsprechend eine sehr anstrengende Reise hinter sich. Und so sahen sie auch aus – fix & fertig, und eingepackt als wären sie auf dem Weg zu einer Polarexpedition. Denn, für die Tansanier waren die

deutschen Frühlingstemperaturen weit unter ihren gewohnten Temperaturen, weshalb sie sich mit den dicksten Klamotten, die sie auftreiben konnten, ausgestattet hatten. Das erste Aufeinandertreffen war etwas befremdlich. Wieder ein Gefühl wie in der Schule, wenn nach den Sommerferien neue Schüler in die Klasse kamen – man beschnuppert einander und versucht herauszufinden ob die Neuen Freundschaftspotential haben oder nicht.

Kennenlernspiele für Erwachsene. Foto: LKJ

Kennenlernspiele für Erwachsene. Foto: LKJ

Zurück in der Jugendherberge ging die Klassenfahrt weiter: Die restlichen Zimmer wurden zugeteilt und es folgte ein pädagogisches Kennenlernspielchen. Die Aufgabe lautete sich gegenseitig in tansanisch-deutschen Paaren mit verbundenen Augen durch den Raum zu führen. Die gewünschte Richtung soll durch Schulterklopfen und Anweisungen in der Landessprache des jeweils anderen erfolgen. Das alles möglichst ohne Staus und Verletzte. Wie gut das Spiel funktioniert hat, während die eine Hälfte der Gruppe müde, die andere peinlich berührt war, könnt ihr euch sicher vorstellen. Nach dem Spielen gab es ein gemeinsames Essen im Speisesaal mit anschließendem Spülen in der Großküche – Klassentreffen all over again.

Das oben beschriebene Spiel wurde von nun an jeden Morgen, ohne Ausnahme, gespielt. Während wir richtig gut in dem Spiel wurden und Begriffe wie links und rechts nun auch auf Kisuaheli bzw. Deutsch einwandfrei beherrschten, ließ der Lerneffekt der Workshops zu wünschen übrig. Diese waren weder besonders professionell (mangelnde Englischkenntnisse der Referenten, vorgetragene Wikipedia-Artikel, usw.), noch waren sie informativ. Ich hörte in diesen Tagen nichts, was ich nicht schon mindestens zweimal an der Uni gehört habe.

Was bringt der Aufenthalt mir überhaupt?

Nach der ersten Hälfte des Aufenthalts machte sich bei mir Enttäuschung breit. Ich lernte nichts Neues und hatte das Gefühl, dass wir viel Zeit mit den (in meinen Augen unnötigen) Workshops verschwendeten. Zu dem Zeitpunkt hatten wir nämlich weder Gruppen geformt, noch Themen für die Dokumentarfilme festgelegt. Außerdem machte sich ein Gefühl der Bevormundung durch die Leiter des Projekts breit. Das Programm ließ uns keinerlei Raum zur freien Verfügung oder zum gegenseitigen Kennenlernen in einem entspannten Rahmen. Pause hatten wir nur, wenn es Essen gab und auch da waren wir nie alleine.

Vorbereitung für die ersten Dreharbeiten. Foto: LKJ

Vorbereitung für die ersten Dreharbeiten. Foto: LKJ

Zwischenzeitlich wurde mir klar, dass ich etwas erwartet hatte, was den Arbeitsweisen an der Uni ähnelt und nicht einer Schulveranstaltung. Die Geschwindigkeit und die Selbstständigkeit, die ich mir als Studentin angeeignet habe, konnte ich hier einfach nicht einsetzen – und das störte mich enorm!

Erst, als wir endlich Gruppen formten und die festgelegten Themen recherchieren durften, wurden die negativen Gefühle durch Produktivität verdrängt. Auch die Zusammenarbeit mit den Tansaniern funktionierte gut. Natürlich gab es kulturelle Unterschiede, aber diese brachten die Gruppe eher näher zusammen und sorgten für lustige Situationen. Sehr unterhaltsam war hier das unterschiedliche Empfinden von Pünktlichkeit. Während der deutsche Teil der Gruppe klischeeerfüllend immer pünktlich an Ort und Stelle war, folgten die Tansanier ihrer eigenen Uhrzeit – die tansanische Uhr geht ungefähr 20 Minuten nach. Das war die Zeit, die es immer brauchte, bis wir komplett und startklar waren. Aber da wir ja alle Teil eines kulturellen Austauschprojekts sind, haben wir uns sehr gut an diese Gegebenheiten angepasst und so auch die deutsche Uhrzeit immer mehr der tansanischen angepasst.

Endlich Dreharbeiten!

Nach einigen Recherchen und ersten Ausflügen nach Stuttgart, um Interviews auszumachen, gingen die ersehnten Dreharbeiten los. Da erste Erfahrungen in der Filmproduktion vorausgesetzt waren, liefen diese Dreharbeiten weitestgehend problemlos ab. Natürlich war es eine Herausforderung, Gruppenmitglieder zu haben, die die Inhalte der Interviews nicht verstanden und für die man alles übersetzen musste. Eine weitere Schwierigkeit bestand darin, dass wir einen Dokumentarfilm planen sollten, dessen zweite Hälfte wir noch gar nicht kannten. Wir konnten in Stuttgart nur mutmaßen, was uns in Tansania wohl erwarten würde.

Als nach 14 Tagen der Aufenthalt in der Jugendherberge zu Ende ging, trennte sich die Gruppe mit gemischten Gefühlen. Die allgemeine Stimmung gegenüber dem Projekt war eher negativ und das einzige, worauf wir uns wirklich freuten, war die anstehende Reise nach Tansania.

Wovon unser Film handelt und wie die Reise weitergeht erfahrt ihr im nächsten Blogeintrag.