Was passiert, wenn wir einfach aufhören?

Warum ich den K3-Klimakommunikations-Kongress 2024 nicht ganz so hoffnungsvoll verließ und trotzdem weiter dranbleibe

Von Leonie Schwarz

Zuhören, aufklären, aufmerksam machen: Klimakommunikation ist eines der wichtigsten Werkzeuge im Kampf gegen die Klimakrise. Auf dem diesjährigen K3-Klimakommunikations-Kongress in Graz trafen Menschen aus den verschiedensten Bereichen wie Medien, Politik, Wirtschaft oder Nichtregierungsorganisationen aufeinander, um über diesen „Hebel“ zu diskutieren. Am Ende stand jedoch eine Frage im Raum, die die Zuversicht ins Wanken brachte.

Thomas Brudermann und Annechien Hoeben beschäftigen sich mit Klimaausreden und Humor (Copyright: Leonie Schwarz)

Beschwingt, hoch motiviert, mit vielen neuen Ideen verlasse ich die Grazer Uni nach zwei Kongresstagen rund um das Thema „Klimakommunikation“. So hatte ich mir das vorgestellt. Es sollte um Lösungen gehen, um eine Zukunft, die neu gedacht wird. Ich erwartete einen neuen Schub an Hoffnung und Zuversicht, den ich – wie so viele andere im Bereich der Klimaarbeit – ziemlich gut gebrauchen konnte. Der Kongress sollte mir diesen neuen Schub an Motivation liefern.

Zunächst sah es auch ganz danach aus: Keynotes, in denen hervorgehoben wurde, dass die Mehrheit der Bevölkerung Klimaschutz will. Kaffeepausen-Gespräche mit Menschen, die mit Begeisterung in den Augen von ihrer Arbeit sprachen. Preisverleihungen an Projekte, die Mut machten und zeigten, dass so viel Kreativität und Engagement in Österreich, Deutschland und der Schweiz zu finden ist. Und dazu noch fantastisches veganes Essen, morgens, mittags, abends. All das hatte einen – wortwörtlich – nachhaltigen Effekt auf mich.

 

Die Zuversicht kommt ins Wanken

Und doch platzte diese Blase, in der wir uns alle zwei Tage lang bewegten, über die wir natürlich sprachen, über die wir diskutierten und die wir trotzdem nie verließen, am Abend des letzten Veranstaltungstages. Eine Frau in einer der hintersten Reihen des Hörsaals stand während der Fragerunde nach der finalen Plenumsdiskussion auf und fragte: „Was passiert, wenn wir alle einfach aufhören würden?“

Der Schweizer Journalist Elia Bühle und eine der wichtigsten Aussagen über Klimakommunikation. (Copyright: Leonie Schwarz)

Stille. Im Plenum auf der Bühne, wo gerade noch die Grazer Vizebürgermeisterin davon sprach, dass sie manche Leute doch schon durch ihre bloße Anwesenheit als Grüne unglaublich nerve. Im Publikum, wo gerade noch über eine moralische Verpflichtung diskutiert wurde. Und in meinem Kopf. Ernüchterung stellte sich ein, teilte sich den vielen leeren Platz, der gerade durch diese Frage in meinem Kopf geschaffen wurde, mit Resignation. Tja. Was würde passieren? In diesem Moment sah ich entspannte Gesichter vor meinem inneren Auge, die auf Nachrichtensendungen und aufgeschlagene Zeitungen blickten. Ich sah Debatten, die weniger komplex wurden und unbesorgte Flugreisende. Ich sah mich, wie ich auf einer Luftmatratze im Pool in irgendeinem weit entfernten Land lag, einen Cocktail schlürfte und mir alles absolut scheißegal war. Besonders das Klima. Und kurz hatte ich den Eindruck, als verstünde ich die, die von Klimahysterie sprachen, die sich über Klimakleber beschwerten und einfach nur ihr Leben leben wollten, das ohne uns – die Klimaaktiven – so viel einfacher wäre. Die Bilder schwirrten durch meinen Kopf. Würde das passieren, wenn wir alle aufhören würden, zu berichten, aufzuklären, zu mahnen, zu motivieren, zu überzeugen, zuzuhören? Würde das passieren, wenn wir aufhören würden, zu handeln?

Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack

Einen Moment später war ich wieder im Hier und Jetzt. Die unbeschwerten Bilder wurden abgelöst von angespannten Gesichtern, die auf Extremwetterberichte in den Nachrichten blickten, von überschwemmten Innenstädten und vertrockneten Feldern, von dem Gefühl der Bedrohung, der Ungewissheit und der Hilflosigkeit. Denn das würde langfristig passieren, wenn wir einfach aufhören würden. Das wusste ich, das wusste jede und jeder in diesem Raum. Und trotzdem blieb ein bitterer Nachgeschmack, der mich noch bis nach Hause begleitete.
Die Frau in der letzten Reihe hat mit ihrer Frage die Gedanken angesprochen, die mir in manchen schwachen, überforderten, wütenden Momenten zuflüstern: „Ist es die Anstrengung wert? Willst du nicht auch unbeschwerter leben? Kannst du nicht einfach… aufhören?“ In solchen Momenten ist die Versuchung groß, die Bilder von entspannten Gesichtern und unbeschwerten Scheißegal-Luftmatratzen-Urlauben den Kopf erstürmen zu lassen.

Eine gute Zukunft für alle

Die Schweizer Illustratorinnen Simone Stolz und Elena Kaeser gestalten Zukunftsbilder für die Stadt Burgdorf. (Copyright: Leonie Schwarz)

Doch dann denke ich an die zwei Illustratorinnen, mit denen ich auf der Konferenz lange redete. Sie malen positive Zukunftsbilder für Städte und Gemeinden, die Lust auf die Gestaltung einer besseren Zukunft machen sollen. Und so versuche ich auch, andere, neue Bilder zu zeichnen. Bunte, fröhliche, frische Bilder mit guter Luft und Fahrradwegen, mit spielenden Kindern auf Wiesen mitten in der Stadt und summenden Bienen. Ich stelle mir eine gute Zukunft vor, für alle. Eine Zukunft, in der ich auf einer Luftmatratze im Baggersee einen Cocktail schlürfe. Zwar ohne Scheißegal-Haltung, aber dafür mit echter Ruhe und gutem Gewissen.

Ich will es gar nicht herausfinden, was passiert, wenn wir einfach aufhören. Denn es kann so gut werden, wenn wir weitermachen – und die Zukunft mitgestalten.