Geht’s auch ohne? Social Media aus Sicht eines Musikers

Von Josephin Noka

Seit fast zwanzig Jahren betreten Philipp Schreiber und seine zwei Bandkollegen die verschiedensten Bühnen und begeistern weiterhin ihre Fans. Sie nennen sich „AOP“, eine Deutschrock-Punk-Band aus Neckarsulm. In einem Gespräch verrät Philipp, wie seine Band über Whatsapp ab und an Klinkenputzen muss, welche Chancen das Digitale Zeitalter für die Musikbranche bereithält und ob ein Musiker auf die Sozialen Netzwerke wirklich angewiesen ist.

Philipp macht Musik- zwar nicht hauptberuflich, dafür aber mit Leib und Seele. Den Wurzeln treugeblieben lebt und arbeitet der 36-Jährige heute in der Nähe von Neckarsulm und ist Gründer eines Unternehmens. Ihren Karriere-Höhepunkt erlebten „AOP“ im Jahr 2009 zum Tag der Deutschen Einheit am Brandenburger Tor, als sie Teil der Coca-Cola Soundwave Discovery Tour sein durften. Seither konnte sich die Band so Einiges an Erfahrung aneignen und weiß um die Notwendigkeit sich im Musikbusiness richtig zu vermarkten.

Vor 10 Jahren gab es bereits erste Kommunikations-Plattformen. Wie habt ihr zu dieser Zeit für euch geworben?

AOP auf der Coca-Cola Soundwave Discovery Tour in Berlin.

AOP auf der Coca-Cola Soundwave Discovery Tour in Berlin. Foto: Coca-Cola

MySpace war damals unsere Kommunikationsplattform. So richtig zum Business wurde das alles mit Beginn der Coke-Tour. Mein Bandkollege Oli saß zu dieser Zeit bestimmt zwei bis drei Stunden täglich nur am Rechner und hat MySpace-Nachrichten beantwortet und Leute angeschrieben. Zudem waren wir eine der ersten Bands in Deutschland, die eine Facebook-Seite hatte und die ein Video-Tagebuch auf Facebook und YouTube verbreitete. Das war super! Für jeden Auftritt haben wir ein Video – heute würde man Vlog sagen – gedreht und das sehr aufwendig mit Intro und Outro und was ebenso dazu gehört. Als Facebook gekommen ist, hat man aber gemerkt, wie schnell eine Riesenplattform wie MySpace total unwichtig wurde.

Wie erreicht ihr heute die Menschen auf den Sozialen Netzwerken?

Über Facebook und Instagram. Zwar haben wir auf Facebook mehr Follower, doch ist bei Instagram die Interaktionsrate viel höher. Man merkt, dass das jüngere Publikum mehr auf Instagram vertreten ist und die ältere Generation mehr auf Facebook. Für TikTok sind wir möglicherweise jetzt schon zu alt, das wollten wir uns aber nochmal anschauen, da erstaunlicherweise immer noch viele junge Menschen unsere Musik hören. Wahrscheinlich haben diese noch nicht so nah hingeschaut, wie alt wir mittlerweile aussehen (lacht). Nicht zu vernachlässigen ist Spotify. Das ist eine tolle Plattform, um etwas zu erreichen, denn da verdient man einfach noch Geld dazu.

Was macht Streamingdienste so besonders?

Heute nennt man sie Vlogs: Video-Tagebücher oder Live-Übertragungen sind ein beliebtes Tool auf Social Media. Foto: Unsplash

Streamingdienste haben meiner Meinung nach den Musikmarkt demokratisiert. Dank ihnen gibt es jetzt auf einmal Vertriebswege, die es früher für kleine Bands einfach nicht gab. Ich könnte mir beispielsweise einfach als „Die Pupser“ bei einem der Anbieter für digitalen Vertrieb einen Account machen und brauche dafür nicht mal ein Label. Wenn man möchte, kann man auf einen Label-Code (dienlich für Sendegenehmigungen und Vergütungen im Bereich Hörfunk und Fernsehen) von Streamingdiensten zugreifen. Wir haben beispielsweise ein eigenes Label, aber das müssten wir nicht. Für unsere Band, die eher unbekannt ist, sind Streamingdienste wie Spotify eine tolle Möglichkeit um eine internationale Reichweite zu erlangen und finanziell davon zu profitieren.

Geht es denn überhaupt ohne Social Media?

Nur wenn du ein altgedienter Star bist, sonst nicht. Ohne Social Media haben wir keine Reichweite, deshalb ist das extrem wichtig für uns. Man sollte aber nicht außer Betracht lassen, dass die Leute von Informationen komplett überflutet sind. Von allen Bands und von anderen Leuten, die online etwas von ihnen wollen. Da kann es schon mal vorkommen, dass wir vor einem Event ganz klassisch Klinkenputzen gehen. So wie letztes Jahr, da mussten wir ganz schön viele Whatsapp-Nachrichten schreiben, weil die Menschen einfach unverbindlicher geworden sind. Es war früher einfacher, Leute dazu zu bewegen wegzugehen. Das ist aber kein Phänomen, das nur Live-Musik betrifft, Clubs und Diskotheken haben das gleiche Problem. Wenn Metallica auf Tour geht, dann sind die Karten für zwölf Stadien innerhalb von fünf Minuten ausverkauft und das, obwohl die Tickets eine Menge Geld kosten. Spielt die Band um die Ecke, hält man sich die Option bis zum Abend davor offen und entscheidet sich dann am Ende vielleicht doch lieber für „Netflix and Chill“. Als kleine Band muss man in solchen Situationen einen langen Atem haben und den Leuten persönlich nahelegen, wie sehr man sich über ihre Anwesenheit freuen würde. Das ist schon anstrengend.

Das heißt um Musiker zu sein, muss man auch Social Media-Experte sein?

Nein, ich denke man sollte hauptsächlich authentisch sein. Was wir machen ist ganz gut, aber da gibt’s bestimmt Leute die beispielsweise besseres Storytelling betreiben und da noch mehr rausholen können. Natürlich beobachtet man und lernt den ein oder anderen Trick, um mehr Aufmerksamkeit zu gewinnen, aber Social Media lernt man, wenn man einfach macht. Und macht man es nicht, wird man nicht wahrgenommen.