5 Tipps für Wissenschaftsjournalisten: Ein Interview mit Lars Fischer
von Yu-Hsuan Lee
Die öffentliche Kommunikation ist dank unserer heutigen technischen Möglichkeiten einfach wie nie. Doch wie sieht es in der Wissenschaftskommunikation aus? Worauf sollte man achten, vor allem wenn man als freier Journalist in die Wissenschaftskommunikation einsteigen will?
Die Tätigkeiten, die mit Wissenschaftskommunikation zu tun haben, sind mittlerweile vielfältiger geworden. Für die Wissenschaftsvermittlung engagieren sich nicht nur PR- Abteilungen von Forschungseinrichtungen, Wissenschaftsmagazine, Science- Sendungen, sondern auch Einzelpersonen wie Youtuber und Blogger. Das heißt: Heutzutage kann sich jeder der Wissenschaftskommunikation widmen. Doch worauf sollte man als freier Wissenschaftsjournalist achten? Wir haben Lars Fischer, der seit 2006 als freier Journalist und seit 2016 als festangestellter Redakteur bei Spektrum der Wissenschaft arbeitet, nach seinen eigenen Erfahrungen gefragt.
Lars Fischer ist Chemiker, freier Journalist, Blogger und Redakteur bei Spektrum.de. Seit 2012 produziert er den YouTube-Kanal „Wir Werden Alle Sterben”. Den Berufseinstieg, den Arbeitsalltag und seine Erfahrungen rund um die Wissenschaftskommunikation erfahrt ihr weiter in diesem Podcast.
Tipp 1: Themenauswahl – Man sollte sich dafür interessieren!
Bei der Themenauswahl gucke ich natürlich auf Kurznachrichten, mit denen wir Leute kriegen, für die sich viele Leute interessieren. Was interessiert die Leute? Was holt die Leute heran, die sich normalerweise nicht für Wissenschaft interessieren? Die Leute, die sich für Wissenschaft interessieren, sind das einfache Publikum. Aber für das schwierige Publikum müssen wir eben gucken: Was gefällt dem denn? Niedliche Tiere? Große Katastrophen? Auf der anderen Seite mache ich es auch nicht, wenn mich etwas nicht interessiert. Ich kann nur gut und unterhaltsam über Sachen schreiben oder sie präsentieren, die mich interessieren. Deswegen muss ich gucken, welche der Themen auch mich selbst interessieren.
Tipp 2: Man sollte das präsentieren, was man selbst nach der Recherche auch versteht.
Ich versuche, bei der Recherche so viel wie möglich über das Thema selbst zu lernen. Man kann im heutigen Journalismus leider oder glücklicherweise nicht nur über Themen schreiben, von denen man wirklich etwas versteht, sondern man hat auch die große Bandbreite. Man versteht mehr von den Themen, von denen man immer wieder schreibt. Allerdings muss man sich selbst einarbeiten. Jedes Thema ist neu, bei jedem muss man gucken: Was sind die aktuellen Veröffentlichungen? Ich gucke in die originalen Veröffentlichungen, in Sachen, die journalistische Kollegen geschrieben haben. Ich habe dann eine Vorstellung, was dieses Thema bedeutet und wo die Knackpunkte sind. Nur wenn ich das verstehe, kann ich es auch erklären. Wenn ich es nicht verstehe, dann hat das Ganze auch keinen Sinn. Es gibt Themen, bei denen ich recherchiere, über die ich schreiben sollte und wo ich dann meinem Chef sagen muss: „Es tut mir Leid. Ich bekomme das nicht hin. Ich bekomme keine Geschichte hin. Es funktioniert einfach nicht.” Ich muss es einfach weglegen.
Tipp 3: Erstmal ist die Zielgruppe wie man selbst.
Mein Anspruch ist natürlich, Wissenschaft für alle zu machen, aber das ist nicht realistisch. Ich habe meinen eigenen Stil, Bildungshorizont und Erzähltempo. Meine Herkunft prägt, wie ich schreibe und wie ich Wissenschaft erzähle. Es ist natürlich, dass ich auf persönlicher Ebene Leute mit ähnlichem Hintergrund oder ähnlichen Kenntnissen anspreche. Ich versuche, darüber hinauszugehen, aber in letzter Konsequenz muss man sich immer darüber klar sein, dass der eigene Still dafür sorgt, dass erstmal die Zielgruppe so ist, wie man selbst.
Tipp 4: Wie man schreibt? Vertrauen ist wichtig.
Mit meiner wissenschaftlichen Ausbildung bin ich in einem gewissen Maße meinem Soziotop verhaftet. Wenn ich aber jetzt mit Leuten rede, die nicht aus diesem akademischen Bereich kommen, besteht da ein gewisses Misstrauen. Deswegen versuche ich erreichbar zu sein. Ich versuche, eine zugängliche Sprache zu verwenden. Das heißt, ich nutze nicht zu viele Fachwörter. Ich muss meine Sprache sowie meinen Habitus anpassen, sodass ich nicht den anderen das Gefühl gebe, von oben zu reden. Wir sind da auf Augenhöhe. Augenhöhe ist für das Vertrauen wichtig. Zugänglichkeit ist für das Vertrauen wichtig. Noch ganz wichtig ist, dass die Leute das Gefühl haben, dass man auch selbst wertschätzt, was man tut und wirklich tun will.
Tipp 5: Was ist danach? Man muss einen langen Atem haben.
Die Arbeit als freier Journalist im Bereich der wissenschaftlichen Kommunikation sollte ein Traumjob sein, solange man es mag. Für Leute, die neu anfangen und kein gefragtes Thema haben, kann sich der Markt als schwierig herausstellen. Es gibt immer weniger Budget für freie Journalisten. Die Berufseinsteiger sollten schon sehen: Es dauert bei allen Freiberuflern erfahrungsgemäß meistens 18 bis 24 Monate, bis wirklich Geld dabei herumkommt. Davor buttert man rein. Man muss deswegen Ressourcen haben, wenn man den Anschluss nicht verlieren will. Die Konkurrenz ist groß. Man muss irgendwie erst in die Branche reinkommen, und regelmäßig viele Auftraggeber haben. Bevor man genug verkauft, muss man irgendwo beispielsweise einen PR-Job haben, um nicht zu verhungern. Es wird oft festgestellt, dass der Einstieg sehr schwierig ist und bei den meisten Leuten nicht so viel Geld hereinkommt. Ansonsten ist es der beste Job der Welt!