Badischer Wein, komm schenk mir ein!

Lösungen für den Weinanbau in der Klimakrise

Von Klemens Gut

Wie kaum ein anderer Wirtschaftsbereich hängt die Landwirtschaft von Witterung und Klima ab. Zunehmende extreme Wetterlagen werden die Landwirt:innen vor immer größere Probleme stellen. Gleichzeitig steht die Landwirtschaft auch selbst in der Kritik, als einer der größten Klimasünder den Klimawandel nur noch stärker voranzutreiben.

Auch diesen Sommer zieht es wieder tausende Wander- und Naturfreund:innen in den Kaiserstuhl, um dort die einzigartige Flora und Fauna zu genießen. ‚Kaiserlich wandern‘ wirbt das Tourismusbüro ‚Naturgarten Kaiserstuhl‘ für seine Wanderwege zwischen Smaragdeidechsen, wilden Orchideen, seltenen Vogelarten und vielen weiteren Naturschätzen, die zum Teil einzigartig in Deutschland sind. Eine Pflanze ist jedoch trotz all der Vielfalt die unangefochtene Königin im Kaiserstühler Naturgarten: die Weinrebe. Der vulkanische Boden sowie die hervorragenden klimatischen Bedingungen sind optimale Grundlagen für den Weinbau. Der ist praktisch allgegenwärtig im Kaiserstuhl. Neben den wirtschaftlichen Aspekten durch den aktiven Anbau oder den damit verbundenen Tourismus prägt der Weinbau auch das soziale und kulturelle Leben; so vergeht im Sommer kaum ein Wochenende ohne ein Weinfest, und selbst die ortseigenen Musikvereine nennen sich „Winzerkapellen“.

Die Art und Weise, wie sich die Rebterassen in die Berge, Wälder und Wanderwege im Kaiserstuhl einfügen, macht einen großen Teil des Charmes der Region aus. Hier die vielfältige Natur, beheimatet in Schutzgebieten; dort die allgegenwärtige landwirtschaftliche Nutzfläche – wie passt das zusammen? Wie hat man hier eine ‚Symbiose‘ zwischen zwei auf den ersten Blick so gegensätzlichen Interessen geschaffen?

BADEN ALS VORBILD IN SACHEN NACHHALTIGKEIT?

Um zu verstehen, wie Naturschutz und der Weinbau in Südbaden zusammenarbeiten, lohnt sich ein Blick auf die unterschiedlichen Institutionen und Verbände der Region, die sich dem Weinbau verschrieben haben. Dass der Naturschutz für die Verantwortlichen ein wichtiges Thema ist, zeigt ein Blick auf die Infoseiten des Badischen Weinbauverbands. Der Weinbauverband ist die Interessensvertretung der badischen Winzer und durch Anregung und Beratung der Mitglieder über alle wichtigen weinbaulichen, kellerwirtschaftlichen, weinrechtlichen und weinwirtschaftspolitischen Fragen ein wichtiger Bezugspunkt für die Winzer. Der Weinbauverband sieht sich eigenen Angaben nach als Förderer und Treiber der nachhaltigen Entwicklung des Weinbaus in der Region. Dabei setzt sich der Verband ein ambitioniertes Ziel: Man will Baden zu einer der nachhaltigsten Weinbauregionen Europas entwickeln. Tatsächlich steht man im internationalen Vergleich gar nicht so schlecht da; wohingegen in Baden seit fast 20 Jahren keine Pestizide mehr in den Rebbergen verwendet werden darf, und auch der Herbizid Einsatz stark reduziert wurde, setzt man in anderen europäischen Ländern auf diese Hilfsmittel und ignoriert die verehrenden Folgen für die Biodiversität.

Klimaschutz auf EU-Ebene

Im Rahmen seines Nachhaltigkeitsziels unterstützt der Weinbauverband unterschiedliche Forschungsprojekte. Hier sieht sich der Verband in der Pflicht, die Bedürfnisse und Belange der Praxis in die sogenannten operationellen Gruppen der Projekte zu tragen. So arbeitet man zum Beispiel im Rahmen des EIP-Agri Projekt ‚Nachhaltiger Wein Baden-Württemberg‘ an einem ganzheitlichen, praxistauglichen Nachhaltigkeitskonzept für Weinproduzenten in den Bereichen Weinbau, Önologie (der Weinwissenschaft) und Vermarktung.

Hinter der Abkürzung EIP-Agri verbirgt sich der sperrige Begriff ‚Europäische Innovations-Partnerschaften für Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit‘. Durch die EIP-Agri sollen Innovationen in der Land- und Forstwirtschaft gefördert werden. Diese Innovationen sollen die landwirtschaftliche Produktion bei geringerem Ressourcenverbrauch steigern und dadurch nachhaltiger machen, so die offizielle Beschreibung der Deutschen Vernetzungsstelle Ländliche Räume (DVS). Der DVS organisiert die Netzwerkpartner der EPI-Agri auf Bundes- und Landesebene und steht dabei kontinuierlich in Kontakt mit der EU-Kommission und anderen europäischen Institutionen. Zu den sechs Themenbereichen, die der DVS listet, gehören neben Klimaschutz und Tierwohl auch Klimaanpassung und Ökolandanbau – Bereiche, die spezielle für den Weinbau relevant sind. Doch wie kommen diese doch teilweise sehr abstrakten Projekte mit großangelegten Lösungsvorschlägen für die grundsätzlichen Probleme der Landwirtschaft in den individuellen Regionen an?

BIODIVERSITÄT IN DEN REBBERGEN

Maßgeblich verantwortlich für die erfolgreiche Umsetzung von mehr Naturschutz in der landwirtschaftlichen Arbeit im Kaiserstuhl ist der Landschaftserhaltungsverband Breisgau-Hochschwarzwald e.V. Der Landschaftserhaltungsverband wurde 2012 gegründet. Heute unterstützt der Verband landwirtschaftliche Betriebe, Landschaftspfleger:innen und Gemeinden finanziell in ihrer Pflege und Aufwertung der Natur. In rund 250 Projekten begleitet der LEV diese bei der Beratung, Planung und Umsetzung von Landschaftspflege- und Ausgleichsmaßnahmen. Reinhold Treiber ist Geschäftsführer des LEV und sieht sich selbst als „Kümmerer“. Das Wichtigste für ihn ist das Zusammenarbeiten und Zuhören: „Man muss die Situation der Bewirtschafter verstehen, die sind teilweise sehr unter Druck. Man muss sich hier auf Augenhöhe begegnen.“ Die Aufgabe des LEV sei es zum einen, die Artenvielfalt in den Weinbergen zu fördern, und zum anderen, die Kultur des Weinbaus so zu unterstützen, dass sie klima- und naturschutzfördernd läuft. Eine Weinbaulandschaft ohne Weinbau sei nun mal keine Weinbaulandschaft, so Treiber.

Ein Aushängeschild für die Arbeit des Landschaftserhaltungsverband ist das Projekt der differenzierte Böschungspflege. Durch die großflächig angelegten Flurbereinigungen im Kaiserstuhl in den 1970er- und 80er-Jahren entstanden neue Lössböschungen von bis zu 30m Höhe. Diese werden von den Gemeinden des Kaiserstuhls im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht gepflegt. Doch auch für den Naturschutz haben die Rebböschungen ein großes Potential. Sie bieten Lebensräume für seltene, bedrohte und teils streng geschützte Tier- und Pflanzenarten. Die differenziert ausgeführte Böschungspflege, die über den LEV organisiert wird, fördert diese Artenvielfalt: Durch das Mulchen werden gezielt hochwüchsige Pflanzenarten geschwächt und konkurrenzschwache Arten können besser wachsen. Außerdem wird durch ein selektives Bearbeiten ein Überwuchern der Böschungen verhindert, ohne die Vegetation vollständig zu entfernen. Das ist vor allem für die wärmeliebenden Tierarten wie die Zaun- oder Smaragdeidechse wichtig; eine vollständig zugewachsene und damit komplett beschattete Böschung würde diese Arten vertreiben. Insbesondere blühende Bereiche werden durch die Mosaik-artige Bearbeitung der selektiven Pflege stärker gefördert und erhalten. Diese Blütenvielfalt spielt für viele der heimischen Bienenarten eine besondere Rolle. Und auch die Winzer:innen profitieren von ihrer Arbeit: In der Endphase der differenzierten Böschungspflege wird die Biomasse abgemäht und zu Heuballen verarbeitet. Diese Heuballen werden dann in den Reben verteilt und dienen dort als Erosionsschutz und (natürlicher) Humus – das Böschungsheu wird so also zum nachhaltigen Wasserspeicher und Ersatz für energieaufwendig produzierte Düngemittel.

EXTREMES WETTER VS. TECHNISCHER FORTSCHRITT

Diesen nachhaltigen Projekten des Naturschutzes stehen die zum Teil schon akuten Bedrohungen des Klimawandels gegenüber. Zunehmende extreme Wetterlagen wie Früh-, Spät- und Kahlfröste, extreme Hitze, Trockenheit, extreme Niederschläge, Hagel und Sturm werden der deutschen Landwirtschaft das Leben schwer machen. Gerade die letzten beiden Trockenjahre 2022 und 2023 haben gezeigt, wie anfällig der Weinbau trotz aller Projekte und Maßnahmen ist; in beiden Jahren lag der Ertrag der Weinlese in manchen Gegenden durch die extreme Hitze und den ausbleibenden Regen auf einem Rekordtief. Die Klimaausblicke des Climate Service Centre Germany (GERICS) benennen die Probleme, die die deutsche Landwirtschaft haben wird, im Detail: Die für jeden Landkreis verfügbaren Berichte zeigen drei mögliche Szenarien der Entwicklung der Treibhausgasemissionen und den damit verbundenen Klimaänderungen für das Ende des 21. Jahrhunderts. Obwohl diese Simulationen in praktisch allen für den Weinbau / die Landwirtschaft relevanten Bereichen (Temperatur, Tropische Nächte, Frosttage, …) eine problematische Entwicklung sieht, bleibt der zusammenfassende Bericht des GERICS ‚Klimawandel in Deutschland‘ optimistisch. Die Auswirkungen seien ‚im Wesentlichen beherrschbar‘, man verweist auf die große Anpassungsfähigkeit der Landwirtschaft.

Auch Reinhold Treiber vom LEV sieht diesen Ausblick durchaus gerechtfertigt: Methoden wie die Tröpfchenbewässerung, eine Mikrobewässerung, bei der die Rebe kontinuierlich mit einer geringen Menge an Wasser (die namensgebenden Tröpfchen) bewässert wird, sind mittlerweile weitverbreitet. Die Tröpfchenbewässerung hilft nicht nur bei anhaltender Trockenheit, die effiziente Wassernutzung sowie die komplette Automatisierung der Anlagen spart auch Wasser und Kosten. Neuzüchtungen im Bereich der pilzwiderstandsfähigen Sorten (PIWIs) reduzieren Pflanzenschutzmaßnahmen, also das Verteilen von Spritzmittleln wie vor allem Kupfer und Schwefel, um bis zu 80%. Darüber hinaus sinkt durch weniger Überfahrten im Weinberg zusätzlich der CO2-Ausstoß.

Tröpfchenbewässerung ist eine Bewässerungstechnik.


Mittels Tropferleitungen bewässerte Weingärten in Baden.

Der Sektor Landwirtschaft ist was den Klimawandel angeht, Verursacher und Betroffener zugleich. Um die eigene Existenz zu sichern, muss ein Umdenken in Produktion, Vertrieb und Vermarktung stattfinden. Doch die Gewissheit, dass sich in der Landwirtschaft etwas ändern muss, hat sich bei den Verantwortlichen / Beteiligten mittlerweile gefestigt. Der LEV hat, zumindest was die differenzierte Böschungspflege angeht, mittlerweile seine Kapazitäten erreicht: Aktuell werden mehrere hundert Hektar bearbeitet, mehr ist nicht mehr möglich. Das Potential des Weinbaus für mehr Arten-, Natur-, und Klimaschutz wurde also erkannt, und wird auch umgesetzt. Angesichts dieser Tatsachen lässt sich in den Aussagen der Verantwortlichen um den Badischen Weinbauverband oder des Landwirtschaftserhaltungsverbunds zwischen den Zeilen ein zögerlicher Optimismus erkennen. Schenkt man diesen Worten Glauben, hat der Weinbau in Süddeutschland eine Zukunft. Die Landwirtschaft kann so auch Klimaschutz.