Laufsport als Trend auf Social Media?

Von Hanna Vollmers

Laufen gilt schon lange als Volkssport und spätestens seit der Pandemie hat das Laufen viele neue, vor allem junge Anhänger*innen gewonnen. Dabei ist der Laufsport auch auf Social-Media angekommen: Beiträge mit #running werden millionenfach geklickt, Influencer*innen geben Einblicke in ihren Alltag als Amateurläufer*innen und die Statistiken jedes Trainings und Wettkampfes werden veröffentlicht. Doch welche Folgen kann diese enge Verstrickung von einer leicht zugänglichen Sportart mit den Trenddynamiken auf Social-Media haben?

 Laufen als Trend?

„Kilometer 17!“, ruft strahlend eine junge Frau in ihre Smartphonekamera, während sie scheinbar mühelos einen Waldweg entlang joggt. Im nächsten Kurzvideo gibt ein Influencer Einblicke in seinen Halbmarathon-Trainingsplan, dann joggen hunderte gutaussehende Menschen in einem Run-Club über den Smartphone-Display – Laufsport boomt auf Social Media. Auf TikTok gibt es 4,1 Millionen Beiträge mit #run , Reels mit #halbmarathon haben auf Instagram oft über eine Millionen Views. Und auch abseits von Social-Media ist Laufsport bei jungen Menschen beliebt. 2023 gab es rund 6,5 Millionen unter Dreißigjährige, die regelmäßig laufen gingen , und bei der Altersstruktur deutscher Marathonfinisher*innen steigt der Anteil der jüngeren Altersklassen . Erstmal ist also eine positive Diagnose naheliegend: Viele junge Leute sind in Bewegung, können von den gesundheitlichen Benefits des Laufens profitieren und sich gleichzeitig online mit Gleichgesinnten austauschen, Content produzieren und konsumieren. Doch Laufsport als Trend hat nicht nur positive Seiten.

Influencer*innen wie @_vero.sports, @michelle.running oder @paula.enx geben auf Social-Media Einblicke in ihren Alltag als Amateurläufer*innen:

https://www.instagram.com/reel/C7HwQ6tLN08/?utm_source=ig_web_copy_link&igsh=MzRlODBiNWFlZA%3D%3D

 

 

Der Vergleich auf Strava und Co.: Motivation oder Leistungsdruck?

Mit Smartphones, Smartwatches und Fitness-Trackern können inzwischen auch Amateurläufer*innen ihre Trainingsdaten genau analysieren. Bild: pexels.

Bei den meisten Social-Media-Beiträgen zum Laufen stehen die Pace und die zurückgelegte Distanz im Mittelpunkt.

Besonders auf speziell für Ausdauersportler*innen entwickelten Plattformen wie Strava oder Runtastic können detaillierte Analysen der eigenen Läufe mit Freund*innen und Follower*innen geteilt werden. So können sich die Laufenden einerseits gegenseitig motivieren und inspirieren, andererseits kann durch das Sammeln von Likes und „Kudos“ auch künstlich Leistungsdruck erzeugt werden. Ein Grund hierfür ist auch das psychologische Phänomen der Upward Social Comparison : Die Sportpsychologin Johanna Constantini erklärt im runskills-Podcast , dass Menschen sich viel eher mit denjenigen vergleichen, die bessere Leistungen erbringen als man selbst. Der automatisierte Vergleich mit stärkeren Läufer*innen kann zu Frustration und Selbstzweifeln führen. In einer Studie zur „Exercise contagion in a global social network“ stellten auch zwei US-amerikanische Forscher fest, dass das online Lauf-Tracking anderer das eigene Sportverhalten beeinflusst. Liefen die „online peers“ zehn Minuten länger, so verlängerte auch das „ego“ seinen Lauf um durchschnittlich 5,3 Minuten. Zwischen einem gesunden Motivationsschub und – meist unbewusstem – toxischen Vergleich ist es in der Laufcommunity auf Social-Media oft nur eine Gratwanderung.

Es gibt jedoch auch Lauf-Influencer*innen, die bewusst Abstand von diesem Fokus auf Zahlen nehmen. Als „slow running community“ betonen sie, dass Laufen völlig unabhängig von Pace und Distanz einen positiven Effekt auf das Körpergefühl und die mentale Gesundheit haben kann. Auch wird der soziale Aspekt des Laufsports auf Social-Media gestärkt: Neben dem Austausch mit Gleichgesinnten online gibt es inzwischen in vielen Städten Laufgruppen, sogenannte Runclubs, die über Instagram und TikTok ihre Treffen organisieren. Nicht selten sind in den Beiträgen hunderte Läufer*innen zu sehen, die gemeinsam ihrem Hobby nachgehen und darüber hinaus neue Kontakte knüpfen. Social-Media zeigt, dass Laufsport verbindet und stärkt das Gemeinschaftsgefühl der Laufcommunity.

Auffällig ist jedoch auch, dass die meisten Laufinfluencer*innen sehr professionell ausgerüstet sind. Sie tragen Sportsonnenbrillen, bunte Outfits, Uhren mit Trackingfunktionen und teure Sportschuhe; Hauls, Sponsoring und Gewinnspiele gehören zum typischen Beitrags-Repertoire. Die „National Runner Survey 2020“ ergab, dass US-Amateurläufer*innen durchschnittlich jährlich fast 1800$ für ihr Hobby ausgaben. Neben der sportlichen Leistung steht Ausrüstung auf Social-Media im Mittelpunkt und wird zum Statussymbol erhoben. Dadurch droht der Laufsport seinen eigentlich leicht zugänglichen Charakter zu verlieren: Wo eigentlich nur ein Paar gut sitzender Laufschuhe benötigt wird, kann nun schnell der Eindruck entstehen, es müsste erst viel Geld investiert werden, bevor man Teil der Laufcommunity sein kann.

Was bedeutet Pace?

Pace ist im Laufsport die Laufgeschwindigkeit. Die Pace gibt an, wie viel Zeit für eine bestimmte Distanz benötigt wird, für gewöhnlich in min/km oder min/mi.

Wie viel Realität geht auf Social-Media?

Auf Social-Media werden für gewöhnlich nur die besten Augenblicke und Highlights geteilt. So ist Social-Media auch im Laufsport oft nur eine geschönte Wahrnehmung der Realität, bei der etwa jedes Training als Fortschritt und jeder Wettkampf als Erfolg dargestellt wird. Neben unerfüllbaren Erwartungen seitens Lauf-Influencer*innen und Follower*innen kann dies tatsächlich zu einer realen Gefahr werden, da besonders für Einsteiger*innen die Risikobewertung erschwert wird: Jede*r Influencer*in scheint lange Distanzen als Training zu laufen und es werden schwere Routen (v.a. im Trailrunning) geteilt, die nicht unbedingt dem Können der Follower*innen entsprechen. Eifern diese blind den Social-Media-Vorbildern nach, ohne ihre Läufe dem eigenen Trainingsstand anzupassen, drohen neben Enttäuschung und Überlastung schlimmstenfalls ernsthafte Verletzungen.

Alles eine Frage der Perspektive?

In diesem Artikel stehen eher die allgemeinen Auswirkungen für die Nutzer*innen, die den Lauf-Content konsumieren, im Vordergrund. Selbstverständlich hat die große Aufmerksamkeit, die dem Laufsport zukommt, aber auch Folgen für die Laufinfluencer*innen selbst: Der ständige Performance-Druck, unerwünschte Trainingstipps, Hate-Kommentare, Selbstzweifel und mögliche Body-Image-Issues sollen deshalb hier nicht unerwähnt bleiben.

Gleichzeitig erhöht Social-Media aber auch die Sichtbarkeit von Läufer*innen abseits der Norm, die ihre ganz persönlichen Erfolgsgeschichten teilen können. Die Lauf-Influencer*innen zeigen wie divers die Laufcommunity ist und daraus können auch die Follower*innen Selbstvertrauen und Zuversicht schöpfen. So erscheint der Laufsport auch weniger exklusiv: In The State of Running 2019 , einer umfangreichen Analyse des Laufsports seit 1986, wurde festgestellt, dass die durchschnittlichen Marathon-Finisher*innen immer langsamer werden und das Motiv der Teilnehmer*innen seltener leistungsorientiert ist. Auch der Anteil der Frauen bei Laufwettkämpfen steigt stetig an. Die Lauf-Influencer*innen können zeigen, dass es keine schnellen Paces und einen perfekt trainierten Körper braucht, um dazuzugehören.

Für viele Amateursportler*innen steht auch bei Wettkämpfen der Spaß im Vordergrund. Bild: Pexels

Fazit: Laufsport ist ein Social-Media-Trend – Und jetzt? 

Laufen als Trend auf Social-Media muss folglich sehr differenziert betrachtet werden. Während der ständige Vergleich mit anderen Laufenden und die verschobene Realitätswahrnehmung auf Social-Media kritisch zu beurteilen sind, darf auch der positive Effekt der Social-Media-Präsenz von Läufer*innen nicht übersehen werden: Neben der Motivation und dem Gemeinschaftsgefühl kann auch das Selbstbewusstsein der Follower*innen gestärkt werden. Viele Lauf-Influencer*innen scheinen sich dieser Ambivalenz durchaus bewusst zu sein, wie etwa die „slow-running“-Szene oder Beiträge mit weniger perfekten Trainingsausschnitten zeigen. Auch Nutzer*innen sollten die Wechselwirkung von Laufen auf Social-Media und ihrem eigenen Training reflektieren. Und: Ab und zu beim Laufen das Smartphone einfach mal in der Tasche lassen und genießen.

Quellen:

https://www.tiktok.com/search/video?q=run&t=1718093593831

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/272539/umfrage/jogger-wald-oder-gelaendelaeufer-in-deutschland-nach-alter/

https://www.marathon-ergebnis.de/AltersklasseDeutschland.html

https://www.nature.com/articles/ncomms14753#Sec2

https://runrepeat.com/state-of-running