Das Planetarium Stuttgart – Die Technik hinter dem Sternenhimmel

Von Jesse Hauser und Robert Makany

Seit 41 Jahren gehört das Carl-Zeiss-Planetarium Stuttgart inzwischen zum Stadtbild der schwäbischen Landeshauptstadt. Umrandet von dem Bauprojekt Stuttgart 21 steht das pyramidenförmige Gebäude im Stuttgarter Schlossgarten. Im Jahr 2016 wurde das Planetarium teilsaniert. Dabei wurde eine moderne digitale Kuppelprojektionsanlage mit Hochkontrastprojektoren und einer Auflösung von über 6K in Funktion genommen. Zum Vergleich: Der Standard heutiger Kinos liegt bei 4k, das entspricht einer Leinwandprojektion von 4000 Pixeln in der Breite. Doch was genau hat es mit der Kuppel und den Projektoren im Planetarium eigentlich auf sich? Und wie entsteht so eine Sternen-Show überhaupt?

Die Geschichte der Planetarien beginnt 1923. Damals wurde in Jena der erste Projektionsapparat von Zeiss in den Produktionswerken installiert. Durch den elektromechanischen Projektor war es nun möglich, den Sternenhimmel naturgetreu in einer Kuppel darzustellen und die Bewegung der Himmelskörper im Zeitraffer zu zeigen. In den 1970ern begann der Bau des Planetariums dann auch in Stuttgart. Der Architekt Wilfried Max Beck-Erlang entschied sich für die außergewöhnliche Pyramidenform für das Stuttgarter Sternentheater, was damals europaweit ein Novum darstellte. Während dieser Zeit machte die Astronomie durch neue Mess- und Beobachtungsmethoden große Fortschritte. Durch neuartige Videoprojektionsverfahren war es seit Mitte der neunziger Jahre möglich, künstliche Universen in den Planetarien zu bestaunen. Die Entwicklung dieser virtuellen Projektionen wurde durch neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft und den immer höher auflösenden Bildern detailreicher.

Kino im XXL-Format

Auch heute noch darf neue, innovative Technik bei der Planung von Planetarium-Shows nicht fehlen, weiß der Direktor des Planetariums in Stuttgart, Dr. Uwe Lemmer. „Man muss natürlich immer am Ball bleiben, weil die Technologie so schnell voranschreitet […]. Wenn man nicht auf dem Stand der Technik bleibt, geht man heutzutage praktisch unter. Das ist natürlich für Einrichtungen wie der unseren, die von Subventionen der Landeshauptstadt Stuttgart abhängt, immer etwas schwieriger. […] Aber davon abgesehen, wird man getrieben und man treibt auch, d.h. wir wollen neue Technik haben.“ Wichtig sei dabei, sich von anderen Shows der Konkurrenten abzuheben: „Als wir angefangen haben, uns über kuppelfüllende Videoprojektionen zu unterhalten, war 4k der Standard. Da haben wir gesagt, wir sollten nicht mit dem anfangen, was andere schon haben, [sondern] müssen uns ein bisschen steigern. 8k war ein etwas größerer Schritt, also haben wir 6k als Zwischenschritt genommen. 6k in der Kuppel mit 60 Bildern pro Sekunde ist schon ein ziemlich wuchtiger Datenschwung.“

Das Carl-Zeiss-Planetarium in Stuttgart mit seiner pyramidenförmigen Architektur. Bildquelle: Wikimedia Commons.

In der Mitte der Kuppel befindet sich das Herzstück des Planetariums: der Projektionsapparat. Damit konnte man schon früher Sterne, Planeten und den Himmelsanblick abbilden. Heutzutage schafft die Technik jedoch um einiges mehr: „Mit verschiedenen Beamern […] kann man ein hochauflösendes Videobild an die Kuppel anbringen. Das ist mehr als nur Kino, denn wir können die Daten zum Teil in ‚RealTime‘ wirklich machen. Das heißt, man kann Flüge durchs Weltall sehr realitätsnah darstellen“, so Lemmer. Doch das ist noch nicht alles. Die Technik ermöglicht es sogar, eigene Filme und Inhalte zu gestalten: „Unsere Darsteller sind die Gestirne und sozusagen etwas pflegeleichter als Schauspieler. Aber dadurch sind wir in der Lage, selbst Inhalte zu bestimmen und auch in Kooperation mit anderen Planetarien größere Programme zu machen.“

Eine Reise ins Universum: Der Projektor macht es möglich

Das Planetarium selbst bestehe aus einer Menge Technologien, wie Lemmer betont. Dazu gehört zum Beispiel ein klassischer, optomechanischer Sternenprojektor, der mit seiner ausgeklügelten Projektionstechnik die Sterne so zeigen kann, wie sie auch am Himmel zu sehen sind: „Wenn man das per Video nachahmen würde, müsste man mit Pixel arbeiten, d.h. hellere Sterne sind einfach größere Pixelcluster als lichtschwächere [Sterne], weil die Projektionshelligkeit von Videoprojektoren einfach eingeschränkt ist. Unser alter, klassischer Sternenprojektor macht viel bessere Sterne als die Videoprojektion und in Folge dessen nutzen wir das auch“, so der Direktor.

Neben dem klassischen Gerät kommt außerdem noch die “Fulldome-Technik” dazu. Dabei wird ein relativ großes Bild mithilfe von sogenannten Velvets an die Kuppel des Planetariums projiziert. Velvets sind neun Einzelbilder, die dank des verwendeten Formats zu einem zusammenhängenden Bild zusammengeflickt werden. Anschließend wird das Ganze mit Animations-Software wie After Effects oder Cinema 4D entsprechend in Szene gesetzt, bis eine komplette Show entsteht. Mit Lasereffekten könne das Spektakel dann noch gesteigert werden, erzählt Lemmer.

Die Projektoren selbst werden unter anderem mit dem digitalen Universum “Uniview” gefüttert. Dabei handelt es sich um ein extra dazu entwickeltes Echtzeit-Universums-Simulations-System, mit dem es möglich ist, in Echtzeit mit beliebiger Geschwindigkeit das Universum zu bereisen. Das System wird dabei ständig durch astronomische Datenbanken aktualisiert, wodurch neue Entwicklungen im Planetarium direkt sichtbar gemacht werden können. Eine weitere Funktion im schwäbischen Planetarium ist die des Raumpiloten: Besucher können sich selbst ausprobieren und mit einem Videospielcontroller interaktiv durchs Universum reisen. 

Eine einzigartige Atmosphäre

Den Besuchern im Planetarium Stuttgart ist also einiges geboten. Dennoch ist die heutige Jugend in Zeiten von Smartphones und Virtual Reality (VR) um einiges technikaffiner als früher. Hat man da als Leiter einer solchen Kultureinrichtung denn keine Angst, dass die jungen Menschen von heute in Zukunft solche Shows nicht lieber mit der eigenen VR-Brille von zu Hause aus schauen möchten? Lemmer ist optimistisch: „Überwiegend konkurrieren wir natürlich mit Smartphone-Angeboten oder Virtual Reality. Aber das kann man ein bisschen mit dem Kino vergleichen. […] Mit der Erfindung des Videorecorders vor einigen Jahren hat man auch gesagt, ‘Ok, jetzt kann ich auch zu Hause Filme schauen und wir brauchen das Kino nicht mehr’. Die Kinos haben trotzdem überlebt, auch deshalb, weil sie qualitativ nachgerüstet haben.“ Denn das einzigartige Erlebnis, in einem Planetarium zu sitzen, könne eine VR-Brille nicht ersetzen, ist sich der promovierte Physiker sicher: „Mittendrin zu stehen und diese ganze Atmosphäre zu spüren: Das ist etwas anderes als so eine Brille auf der Nase zu haben […]. Deshalb sind wir ein Stückweit immitationsgeschützt.“

 

Titelbild: Broschüre des Planetariums.