Bild: Anna Dreher

Von der Lokalzeitung bis zur Fußball-Weltmeisterschaft

Alumni-Portrait über die Sportredakteurin Anna Dreher

Von Niko Rhein

Anna Dreher hat seit der Kindheit eine Leidenschaft – Sport. Und arbeitete sich Stück für Stück ganz nach oben. Heute berichtet die Sportredakteurin vom Motorsport oder der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen. Doch angefangen hat auch sie ganz klein, und zwar bei der örtlichen Lokalzeitung. Von einer, die auszog, ihren Traum zu leben. 

Sollte man Anna Dreher in diesen Tagen bei einer abendlichen Runde durch den Englischen Garten in München treffen, hieße das vor allem eines: Sie hat den Absprung erfolgreich geschafft. Nicht von der Zugspitze – wobei Fallschirmspringen oder Basejumping durchaus im Einklang mit ihrer großen Leidenschaft stünden –, sondern vom heimischen Schreibtisch. „Momentan hilft es, sich zum Spazierengehen zu verabreden“, beschreibt die 32-Jährige ihre Strategie, in Zeiten des Home-Office den Feierabend einzuläuten. „Dadurch, dass mir mein Job so viel Spaß macht, neige ich dazu, länger zu arbeiten.“  

Anna Dreher ist Sportjournalistin. Seit vier Jahren arbeitet sie als Redakteurin für die Süddeutsche Zeitung. Dass sie einen Beruf in diesem Bereich ergreifen würde, zeichnete sich früh ab. „Mein Vater hat als Sportredakteur bei der Deutschen Presse-Agentur gearbeitet, durch ihn habe ich von klein auf erlebt, was diesen Beruf ausmacht.“ Durchs Tennis- und Fußballspielen wuchs im Jugendalter ihre Begeisterung für den Sport, und wenn am Wochenende Sportereignisse im Fernsehen übertragen wurden, saß sie auf dem Sofa und schaute gebannt zu. „Für mich war klar, dass ich in den Sportjournalismus möchte.“

Von einer, die auszog, Journalistin zu werden

Die ersten Schritte auf dem Weg dorthin machte die Sympathisantin des VfB Stuttgart bereits zu Schulzeiten als freie Mitarbeiterin bei der Herrenberger Lokalzeitung Gäubote. Vor und während ihres Studiums an der Eberhard Karls Universität schrieb sie für die Stuttgarter Zeitung, es folgten redaktionelle Praktika beim SWR, ZDF und auch bei der SZ. Im Rahmen eines einjährigen Auslandsstudiums in den USA hospitierte sie zudem im ARD-Studio in New York und bei der Deutschen Presse-Agentur in Washington – im Vergleich zu den vorangegangenen Praktika ausnahmsweise mal nicht im Sportressort. Nach ihrem Bachelor in Medienwissenschaft und empirischer Kulturwissenschaft in Tübingen stellte sich dann die Frage, in welche Richtung es weitergehen würde. „Damals fand ich alle Sparten interessant, auch Fernsehen und Radio“, blickt Dreher zurück.

Bild: Anna Dreher.

Im Sommer 2013 bewarb sie sich schließlich bei der Deutschen Journalistenschule in München – mit Erfolg. Da die DJS sich im gleichen Haus wie die Süddeutsche Zeitung befindet, bot sich Dreher dort die Gelegenheit, alte Kontakte aufzufrischen. „Ich habe mich beim Ressortleiter gemeldet und gesagt, dass ich gerne wieder für die SZ schreiben würde.“ Die daraus resultierende Mitarbeit bekräftigte sie nach dem Master an der Journalistenschule in dem Wunsch, Redakteurin bei der Süddeutschen zu werden. Das Problem: Zu diesem Zeitpunkt war keine Redakteursstelle im Sport frei. Stattdessen bot der Ressortleiter der Schwäbin an, erst einmal ein Volontariat zu absolvieren. Dreher nahm das Angebot an – eine Entscheidung, die für sie zum Glücksfall wurde: Während der zwei Jahre wurde im Sport ein Redakteursposten frei, und die damals 27-Jährige bekam den Zuschlag.

Der Traum von den French Open

Für die SZ berichtet sie seitdem vor allem über Motorsport und Frauenfußball. Was die Journalistin an ihrer Arbeit besonders reizt? „Es ist das Geschichten erzählen. Da hat man gerade im Print super viele Möglichkeiten und kann noch häufiger in die Tiefe gehen als zum Beispiel beim Fernsehen, wo die Sendezeit knapp ist.“ Live vor Ort zu sein und Sportereignisse zu begleiten, fasziniert sie: „Die Gänsehautmomente im Stadion, dieses Dabeisein dürfen; das meine Arbeit nennen zu können, empfinde ich als ein großes Privileg.“ Dabeisein durfte Dreher auch bei der Fußball-Europameisterschaft der Frauen 2017 und der Weltmeisterschaft der Frauen 2019. Es sei immer ihr Traum gewesen, von einem großen Turnier zu berichten. Zudem liebe sie die spezielle Atmosphäre, die während den sportlichen Großereignissen in der Redaktion herrscht: „Bei Olympischen Spielen oder einer Fußball-WM rödeln hier alle wie blöd, aber es macht unglaublich Spaß, weil von morgens bis abends Sportaction ist und alle im Team auf dieses Ereignis fokussiert sind.“

Über ihre Lieblingssportart Tennis berichtete die Journalistin bislang nicht. Angesichts ihres Faibles für den Spanier Rafael Nadal vermeidet sie diesbezüglich zumindest einen möglichen Interessenskonflikt. Wenn sie den 13-maligen French-Open-Gewinner spielen sieht, wird Dreher zum Fan: „Da bin ich schon parteiisch und freue mich, wenn Nadal gewinnt.“ Und wenn sie irgendwann selbst für die SZ über den nächsten potenziellen Erfolg des Mallorquiners bei einem Grand-Slam-Turnier berichten dürfte? „Nein sagen würde ich dazu nicht“, sagt sie, versichert aber: „Das könnte ich dann schon trennen. Wenn ich einen Text schreibe, bin ich so objektiv wie möglich.“ In solchen Momenten die grundsätzliche journalistische Distanz an den Tag zu legen, sei für sie „eine Haltungsfrage.“

Auch nach Feierabend sportlich unterwegs

Wenn die SZ-Redakteurin gerade einmal nicht recherchiert und Geschichten plant oder schreibt, trifft man sie häufig beim Laufen, auf dem Tennisplatz oder beim Snowboarden. „Mein Privatleben ist ebenfalls sehr vom Sport geprägt“, erzählt die Wahlmünchnerin, deren neueste Errungenschaft ein Cyclocross-Rad ist. Und abseits des Sports? „Zählt Feiern als Hobby?“, fragt Dreher lachend. Um dann festzustellen, dass Club-Besuche momentan leider ebenso wenig angesagt sind wie Auslandsreisen, ebenfalls eine ihrer Leidenschaften. Die Reiselust hat die Journalistin seit ihrer Kindheit regelmäßig nach Südamerika geführt – aus gutem Grund: Ihre Mutter ist Chilenin. Zu der Familie in Übersee pflegt Dreher ein enges Verhältnis. „Trotz der Distanz bin ich seit meiner Kindheit häufig dort gewesen“, sagt die MeWi-Absolventin, die zweisprachig aufgewachsen ist und fließend Spanisch spricht.

Ob die Deutsch-Chilenin sich vorstellen kann, irgendwann in Südamerika als Korrespondentin zu arbeiten? „Das würde mich schon interessieren, da möchte ich nichts ausschließen“, sagt sie. Zumal bei der Süddeutschen Zeitung schon diverse Korrespondent*innen aus dem Sportressort hervorgegangen seien. Sie habe aber keinen konkreten Jahresplan, wann sie auf welcher Stufe der Karriereleiter stehen will. Auch wenn sie sich eine Arbeit beim Radio oder Fernsehen grundsätzlich irgendwann ebenso vorstellen könnte, fühle sie sich in ihrer jetzigen Position sehr wohl. Ein Stück weit kann die Redakteurin ihre Affinität zur Multimedialität ja auch bei der SZ ausleben: Seit bald drei Jahren moderiert sie im Wechsel mit Kolleg*innen den Podcast Und nun zum Sport, in dem sie mit den jeweiligen Expert*innen aus der Redaktion das Sportthema der Woche analysiert. Den zunehmenden Trend zur Crossmedialität im Journalismus betrachtet die Redakteurin vor allem als Chance. „Plattformen wie den Sport-Podcast nicht zu nutzen wäre schade, weil sie einen Mehrwert bieten. Und die Zahl der Hörer zeigt auch, dass ein Interesse besteht“, sagt sie. Gleichwohl solle man als Print- und Onlinemedium nicht dazu übergehen, „einen Radio- oder Fernsehsender zu imitieren.“

 

Was die Zukunft so bringt

Einerseits neue digitale Angebote für die Nutzer*innen schaffen und andererseits trotzdem „beim Kern der Zeitung bleiben“ – diesen Spagat versucht die SZ-Redakteurin mit ihren Kolleginnen und Kollegen zu meistern. Einen besonderen Performancedruck aufgrund des Renommees, welches die SZ in der deutschen Medienlandschaft genießt, verspürt Dreher dabei nicht. „Von der Ressortseite gibt’s hier niemanden, der den Druck-Hammer schwingt“, sagt sie. Sie registriere vielmehr bei sich und den anderen Redaktionsmitglieder*innen eine ausgeprägte intrinsische Motivation und einen grundsätzlich hohen Anspruch, „weil man das Bewusstsein hat, für welche Werte die SZ steht und es ein schönes Gefühl ist, für diese Zeitung zu schreiben.“ Jeden Tag von „sehr guten Journalisten“ umgeben zu sein, ist für die ehemalige Studentin ein zusätzlicher Ansporn. Nur Ansporn oder auch Stress? „Nein, Stress löst das bei mir nicht aus. Natürlich würde ich auch gerne mal eine große preisgekrönte Reportage schreiben“, sagt sie, um nach kurzer Pause hinzuzufügen: „Aber vielleicht kommt das ja noch, wer weiß…“

Zuzutrauen wäre es ihr. Zumal sie immer noch am Beginn ihrer Berufsvita steht. Sollten für die preisgekrönte Reportage à la Dreher die eigenen Kolleg*innen als Inspirationsquelle nicht ausreichen, bleibt ihr ja immer noch die bewährte Möglichkeit, den Laptop zuzuklappen, um beim Abendspaziergang durch den Englischen Garten auf den entscheidenden Geistesblitz zu warten. Alternativ könnte die Redakteurin sich auch auf ihrem Cyclocross-Rad auspowern – Hauptsache, sie bleibt in Bewegung. Denn Stillstand ist nun wahrlich nicht das Ding von Anna Dreher.

 

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