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Das Internet

Wie es Psyche und Alltag beeinflusst

Von Olivia Mangold

Mehrere Stunden Bildschirmzeit am Tag: Das ist heute keine Ausnahme mehr. Die Zeit, die wir an unseren Handys verbringen, ist in den letzten Jahren exponentiell gestiegen. Doch was hat das für Auswirkungen auf unseren Alltag? Und wieso ist die Psyche besonders davon betroffen?

 

Die Gesellschaft durchlebte einen drastischen Wandel, als sich die ersten Computermaschinen zu intelligenten Geräten entwickelten. Groß angelegte Vernetzung, Koordinierung und Kommunikation stellten die Gesellschaft auf den Kopf. Das weltweite Netz des „Internets“ wurde Teil unseres Lebens und wird heute kaum noch als aktiv genutzte Technologie gesehen. Vielmehr ist es so in unseren Alltag eingebunden, dass wir nicht mehr darüber nachdenken. Diesen Prozess nennen wir in der Medienwissenschaft auch “Mediatisierung“ (Prof. Dr. Bernhard Pörksen). Die Medien werden immer mehr Teil unserer Realität und nehmen somit immer mehr Einfluss auf unser Leben. Im Folgenden erfahrt ihr, wie sie euren Alltag und eure Psyche verändert haben.

Digitalisierung greift in unseren Alltag ein

Das fängt schon bei simplen Lebenssituationen an. Die Art und Weise, wie wir Freundschaften bilden, mit Leuten in Kontakt bleiben und miteinander in Verbindungen treten, hat sich verändert. Die leichte und schnelle Kommunikation über große geografische Distanzen und Zeitverschiebungen ermöglicht es uns, miteinander in Kontakt zu bleiben. Auch der Umgang mit staatlichen Dokumenten, Fotos und Unternehmensplänen hat sich durch das Speichern und Übertragen von Daten gewandelt. Die Digitalisierung greift in die Kultur ein, da Medien sowohl Text, Bild als auch Klang verarbeiten können. So hat sich die Art und Weise verändert, wie Schriftsteller schreiben, Musiker spielen und Künstler malen.

Das Handy nimmt unseren Alltag also immer mehr und mehr ein. Wir telefonieren, chatten oder scrollen durch den Feed und schauen uns Videos aus den verschiedensten Themenbereichen an. Ob Tiervideos oder die neusten Trends auf TikTok: Die sozialen Medien schaffen es regelmäßig, unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen. Doch wie viel Zeit verbringen wir tatsächlich damit, unseren Blick auf den Bildschirm zu wenden?

Fast einen ganzen Tag vor dem Bildschirm

Der Online-Unterricht und das Home-Office führten dazu, dass wir leichter verleitet werden, auf unser Handy zu schauen. Bild: Unsplash

Mit dieser Frage hat sich unter anderem NortonLifeLock, ein Anbieter für Cyber-Sicherheit, im Jahr 2021 beschäftigt. In ihrer herausgebrachten Studie wurde das Online-Verhalten von Verbrauchern ab 18 Jahren untersucht. Das Ergebnis zeigt, dass Deutsche durchschnittlich 5,1 Stunden pro Tag vor dem Bildschirm verbringen. Hier handelt es sich nur um die Bildschirmzeit neben der Arbeit und der Schule. Bei 24 Stunden am Tag hört sich das vermutlich harmloser an als es wirklich ist. Denn vergleicht man diese Zahlen mit einem Arbeitenden, der acht Stunden am Tag im Büro vor dem Computer sitzt, sind wir bei insgesamt 13 Stunden Bildschirmzeit. Angenommen dieser Mensch steht morgens um sieben Uhr auf und geht abends um 20 Uhr schlafen, dann bleiben am Schluss zwei Stunden übrig, an denen nicht auf einen Bildschirm gestarrt wird. Dieser rasante und starke Anstieg der Nutzungsdauer von Medien hängt unter anderem mit der Corona-Pandemie zusammen.

Soziale Netzwerke beeinflussen soziale Bedürfniss

Diese vielen Stunden fehlen uns im Alltag. Sie nehmen uns die Zeit, die wir sonst für soziale Kontakte, die Verwirklichung unserer Ziele, Schlaf und Bewegung investieren. Für all das und vieles mehr bleibt nicht genügend Zeit übrig. Was bedeutet das für unsere Psyche?

Das sozialpsychologische Modell der Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow beschreibt vereinfacht die Bedürfnisse und Motivationen des Menschen. Zu den sozialen Bedürfnissen gehören Freundschaften, Liebe und der Kontakt zu anderen Menschen. In genau diesen Bereich mischt sich die Digitalisierung ein. In den letzten Jahren hat sich das Sozialleben immer weiter in das Digitale verschoben.

Lieber digital oder face-to-face?

Die Frage ist: Reicht die digitale Kommunikation aus, um das Sozialbedürfnis des Menschen zu befriedigen? Hierbei ist es vor allem bedeutsam, was wir in den vielen Stunden am Handy machen. Einen sehr großen Teil der Bildschirmzeit macht inzwischen die Social-Media-Nutzung aus. Sie kann Vergleiche mit anderen, Cybermobbing, starke Ablenkung und Belästigung mit sich bringen. Außerdem haben wir im Internet keine face-to-face-Interaktion mit unseren Freunden und zeigen deshalb auch kaum Emotionen. Stattdessen wird meist nur starr in den Bildschirm geschaut und das Gesicht ist wie gelähmt. Eine Studie der Universität Wien (Matthes et al. 2020) zeigt auch, dass audiovisuelle Reize das Gehirn überfordern und dass die Informationsüberflutung mit depressiven Symptomen und schlechtem Wohlbefinden verbunden ist. Die digitale Kommunikation kann also nicht mit der Menschlichen mithalten. Werden die Sozialbedürfnisse nicht befriedigt, kann das einerseits zu körperlichen Schäden wie Schlafstörungen führen, andererseits auch zu psychischen Problemen.

Der Schein zählt

Die ständige Konfrontation mit makellosen Körperbildern und aufregenden Hobbies oder Reisen kann stark zu Selbstzweifeln und einer verzerrten Selbstwahrnehmung führen. Viele Nutzer*innen fangen an, mit der sogenannten “Fear of Missing out” (FOMO) zu kämpfen. Dieses Phänomen wird meist durch soziale Medien ausgelöst und beschreibt die Angst, spannende Events zu verpassen. Doch vielen ist nicht bewusst, wie gestellt und bearbeitet Bilder sind. Nach Soziologe Simon Lindgren sind soziale Plattformen wie Bühnen, auf denen wir als User*innen performen. Bevor wir ein Bild auf Instagram hochladen, können wir uns in Ruhe entscheiden, welches der vielen Versuche am besten aussieht, können einen Filter darüberlegen, eine passende Caption schreiben und Leute darauf markieren. Und so schnell gewinnt das Bild einen ganz anderen Eindruck. All das bleibt den Follower*innen, also dem Publikum der Bühne, verborgen. Aber wieso geben sich viele User*innen überhaupt so viel Mühe beim Posten eines neuen Beitrags?

Bestätigung macht süchtig

Wenige Likes führen vor allem bei jungen Menschen zu Minderwertigkeitskomplexen. Bild: Unsplash

Der Körper schüttet das Glückshormon Dopamin aus, wenn wir Likes oder positive Kommentare unter dem eigenen Bild sehen. Bekommen wir dieses Gefühl einmal, werden wir danach. Von der Sucht nach Likes sind nicht nur Menschen betroffen, die diese Art von Bestätigung im realen Leben nicht bekommen. Auch Menschen, die ständig Bestätigung erhalten, sind anfällig für dieses Phänomen.  Auf die negativen Reaktionen der User*innen zu den Schattenseiten Instagrams reagierte die Plattform Ende 2019 höchst persönlich. Ein neues Update sorgte für die neue Funktion, Likes, Kommentare und Views zu verbergen. Ziel dabei war es, die Freude am Posten und Teilen von Momenten wieder zurück ins Leben zu rufen. Immer mehr Leute nutzen diese Funktion für ihren Account.

Auch soziale Bewegungen wie “ Body Positivity”, oder inzwischen auch “Body Neutrality” genannt, wirken dem entgegen. Sie konzentrieren sich auf die Akzeptanz aller Körper, egal welcher Hautfarbe, welcher Form oder welches Geschlechts. Auch psychischen Problemen, Erkrankungen und Misserfolgen wird inzwischen auf der Plattform viel mehr Aufmerksamkeit gegeben.

 

Tipps für mehr Kontrolle über Psyche und Alltag

Die Reduzierung eurer Bildschirmzeit ist wichtig, um den Einfluss der sozialen Medien auf die Psyche einzudämmen. Zeitlimits für einzelne Apps, auf denen man besonders viel Zeit verbringt, erinnern euch daran, das Handy wegzulegen. Um den ausreichenden Schlaf zu wahren, ist es sinnvoll, elektronische Geräte aus dem Schlafzimmer zu lassen. Und wer es sich von euch zutraut, sollte die Apps für bestimmte Zeit vom Handy deinstallieren. So ist es leichter herauszufinden, ob es auch ohne geht und wie sich die Gefühlslage dadurch verändert.

Quellen:

AOK – Die Gesundheitskasse (2021): JOMO gegen FOMO: Tipps gegen die „Fear of missing out“. In: AOK – Die Gesundheitskasse, 13.10.2021. Online verfügbar unter https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/jomo-gegen-fomo-tipps-gegen-die-fear-of-missing-out/, zuletzt geprüft am 21.01.2023.

Arztphobie (2022): Sucht nach Likes loswerden – Like-Sucht überwinden. Online verfügbar unter https://www.arztphobie.com/psychologie/sucht/suechtig-nach-likes/, zuletzt aktualisiert am 05.07.2022, zuletzt geprüft am 03.01.2023.

Matthes, Jörg; Karsay, Kathrin; Schmuck, Desirée; Stevic, Anja (2020): “Too much to handle”: Impact of mobile social networking sites on information overload, depressive symptoms, and well-being. In: Computers in Human Behavior 105, S. 106217. DOI: 10.1016/j.chb.2019.106217.

NortonLifeLock (2021): Durchschnittliche Bildschirmzeit in Deutschland steigt auf 5,1 Stunden. In: Aktuelle Technik-Nachrichten » digitalweek.de, 26.08.2021. Online verfügbar unter https://www.digitalweek.de/news/durchschnittliche-bildschirmzeit-in-deutschland-steigt-auf-51-stunden/, zuletzt geprüft am 26.01.2023.

Prof. Dr. Bernhard Pörksen: Einführung in die Medienwissenschaft. Medienwissenschaft & Medienforschung. Universität Tübingen.

Simon Lindgren (Hg.) (2017): Digital Media & Society.

StudySmarter DE (2023): Grundbedürfnisse: Definition, Maslow & Grawe | StudySmarter. Online verfügbar unter https://www.studysmarter.de/schule/psychologie/grundlagendisziplinen-der-psychologie/grundbeduerfnisse/, zuletzt aktualisiert am 03.01.2023, zuletzt geprüft am 03.01.2023.