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Unsere kleine Welt im großen Netz

Von Filterblasen und Echokammern

Von Anna-Sophie Nolte

„Und du drehst dich in deiner kleinen Welt.

Mit deinen großen Farben, wie sie dir gefällt.

Ob trist, ob manchmal grau, ob blau und wunderschön.

Oh – Ich würd mich so gerne in deinen Welten drehn.“

Philipp Dittberner

Am Anfang war das Internet, ein Zugang zur Welt, etwas, das uns alle verband: eine Chance für die Gesellschaft und für jeden Einzelnen, sich in ganz verschiedenen Welten „drehen“ zu können. Doch mit dem Aufkommen der Filteralgorithmen hat sich der Informationsfluss im Netz verändert. Passgenau werden Informationen an die Nutzer*innen ausgespielt, ohne, dass diese etwas über die Auswahl mitbekommen. So singt Phillip Dittbrenner in seinem Song In deiner kleinen Welt darüber, wie wir uns in unserer kleinen Welt drehen. Auch wenn es ein Liebeslied ist, lässt es sich gut auf die heutige Welt im Netz übertragen, in welcher jeder Mensch sich in seiner eigenen maßgeschneiderten Welt bewegt, ohne Einblicke in andere Welten zu erhalten. Aber drehen wir uns dadurch wirklich nur noch in unserer „kleinen Welt“ und wenn ja, was können wir dafür tun, dass wir uns auch noch in andere Welten einfinden können?

Was ist eine Filterblase?

Der Begriff Filterblase stammt vom englischen Begriff der Filterbubble. Eli Pariser, ein Politikaktivist, kreierte den Begriff in seinem 2011 erschienenen Buch Filter Bubble: Wie wir im Internet entmündigt werden. Die Filterblase definiert Pariser selbst als „das persönliche Informationsuniversum, das Sie online bewohnen – einzigartig und nur für Sie aufgebaut von den personalisierten Filtern, die das Web jetzt antreiben“. In dem Buch warnt der Internetaktivist vor der Einengung der vorhandenen Informationsbreite durch die von Webseiten und sozialen Netzwerken genutzten Algorithmen. Damit beschreibt die Filterblase einen nach außen abgeriegeltem Raum, der durch Filteralgorithmen entsteht.

Die Entstehung einer Filterblase

Filterblasen entstehen, weil Internetseiten versuchen, algorithmisch vorherzusagen, welche Informationen ein*e Nutzer*in finden möchte. Algorithmische Empfehlungssysteme treffen aus einer großen Menge an Informationen eine grundlegende Auswahl. Damit den Nutzer*innen dann für sie möglichst relevante Informationen angezeigt werden, wird die Auswahl noch einmal nach bestimmten Kriterien angepasst. Grundlage der Vorhersagung sind Informationen, die bereits über die Nutzer*innen gesammelt wurden. Dabei spricht man vom sogenannten Tracking. Über beispielsweise Cookies (Daten, welche von Webseiten auf den Computer gespeichert werden), der IP-Adresse zur Standortbestimmung und Social Plug-ins (Module, um Webseiten mit Social-Media-Plattformen zu verbinden) wird unser Verhalten aufgezeichnet und ausgewertet. Das heißt also, durch Filterblasen wird versucht, Informationen und Inhalte zu personalisieren. Allerdings arbeiten Algorithmen abhängig von der jeweiligen Plattform mit unterschiedlichen Kriterien. Das heißt, Facebook sortiert anders als Pinterest und das wiederum anderes als Google. Wie genau welche Plattform sortiert, ist meist nur oberflächlich bekannt, da die Informationen von den Unternehmen geheim gehalten werden.

Echokammern

Wenn Nutzer*innen nicht aktiv gegen die Filterblase arbeiten, können Echokammern entstehen. Im Internet bewegt man sich in geschlossenen Echokammern mit Personen, die die eigene Meinung teilen. Durch die daraus entstehende permanente Bestärkung kann dabei der Eindruck entstehen, dass man einer Mehrheit angehören würde. Dadurch kann es zu einer verzerrten Realitätsansicht kommen. Das kann besonders im Fall extremer Meinungen, wie beispielsweise extremen politischen Meinungen, nicht zu unterschätzende Konsequenzen haben. So kann es zu einer medialen Verzerrung kommen, bei der einer deutlichen Minderheitsmeinung viel Raum zugesprochen wird. Durch die Gleichsetzung von Fakten und Meinungen entsteht ein falsches Bild vom allgemeinen Konsens. Hierbei spricht man von einer „False Balance“. Durch diese kann die öffentliche Wahrnehmung beeinflusst und zweifelhaften Positionen ungewollt Legitimität und Seriosität zugesprochen werden.

Wege aus der Filterblase

Erst einmal hilft es, sich bewusst zu machen, dass in sozialen Netzwerken hauptsächlich Inhalte angezeigt werden, welche den eigenen vorherigen Interessen entsprechen. Das heißt, wenn wir uns auch in anderen Welten drehen wollen, ist es notwendig, sich bewusst auf verschiedenen Plattformen zu informieren. Dabei ist die eigene Informationskompetenz gefragt. Außerdem gibt es die Möglichkeit, die Einstellungen von Google so zu verändern, dass die Suchergebnisse sich nicht auf die vorherigen Suchanfragen beziehen. Ebenso gibt es alternative Suchmaschinen, wie zum Beispiel DuckDuckGo, welche Tracking ablehnen. Und habt ihr schon einmal von Newstral gehört? Das ist eine Startseite, die einen Überblick über alle Schlagzeilen journalistischer Medien, entlang verschiedenster politischer Ausrichtungen, anzeigt. Aber am allerwichtigsten: Stärkt eure Medienkompetenz und die eurer Mitmenschen.

Digital Services Act

Mit dem Digital Services Act der EU sollen Internetplattformen zugunsten von Nutzer*innen reguliert werden. Das Ziel ist es, eine Internetlandschaft zu schaffen, in der den Nutzer*innen Sicherheit gegeben und weniger persönliche Daten gespeichert werden sollen. Aktuell finden Verhandlungen im EU-Parlament statt, wobei mit einer Verabschiedung erst 2023 gerechnet wird. In der jetzigen Phase der Gesetzgebung wird festgelegt, wie der Digital Services Act gestaltet werden soll. Zur Diskussion stehen die Erlaubnis von Werbetracking ausschließlich für Erwachsene, das freiwillige Ausschalten von Algorithmen und der Schutz von Verschlüsselung. Somit könnten auch neue Gesetze geschaffen werden, welche die Entstehung von Filterblasen erschweren.

Und was heißt das jetzt für meine „kleine Welt“?

Entscheidend ist es, mit offenen Augen durch das Netz zu gehen, stets verschiedene Quellen zu Rate zu ziehen und diese kritisch zu hinterfragen. Genauso können wir Transparenz von den sozialen Medien einfordern, wie sie Informationen und somit die Ergebnisse, die uns im Netz angezeigt werden, generieren. Dabei stellt sich auch die Frage, wie leicht das umsetzbar wäre und wie viel Macht wir als Konsument*innen darüber hätten. Was fest steht, ist, dass das Konzept der Filterblase nicht zu unterschätzen ist. Aber man darf auch nicht vergessen, dass Filterblasen auch schon vor dem Internet existierten und das Internet auch für deutlich mehr Meinungsvielfalt und Partizipation sorgt. Um diese Meinungsvielfalt zu erleben, ist es notwendig, Medienkompetenz zu nutzen und die eigene Filterblase zum Platzen zu bringen.

Quellen:

https://www.lmz-bw.de/medien-und-bildung/jugendmedienschutz/fake-news/filterblasen-wenn-man-nur-das-gezeigt-bekommt-was-man-eh-schon-kennt/

https://link.springer.com/article/10.1007/s00287-017-1050-5

https://www.efwi.de/fileadmin/efwi/schule_mittendrin/Webinar_Filterblasen_und_Echokammern_27.3.2020.pdf

https://causa.tagesspiegel.de/gesellschaft/wie-veraendert-die-filter-bubble-diepolitik/dienbspdiskussion-ueber-filterblasen-ist-voellig-entgleist.html

https://www.das-nettz.de/glossar/filterblase

https://t3n.de/news/filterblase-766329/

https://www.abida.de/sites/default/files/Dossier_Meinungsvielfalt.pdf

https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/filterblase-radikalisierung-auf-facebook-a-1073450.html

https://www.mebis.bayern.de/infoportal/fake-news/fake-news-und-filterblasen/sozi

https://www.fachportal-paedagogik.de/literatur/vollanzeige.html?FId=1041680

https://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-3-531-92014-6_16

https://www.bpb.de/gesellschaft/medien-und-sport/medienpolitik/236435/medien-und-gesellschaft-im-wandel