Resümee: Der Film als Fenster zur Welt

von Felix Niedrich

Lügen beinhalten immer auch Wahrheiten. Auch wenn jeder Film auf einer Lüge aufbauen mag, so hat sich gezeigt, dass das Medium durchaus im Stande ist, die Wahrheit zu reflektieren.Genau genommen eignet sich gerade der Film sehr gut dafür, ist ihm doch aufgrund seiner Beschaffenheit der Konflikt zwischen Authentizität und Künstlichkeit, zwischen Realität und Fiktion, praktisch von Beginn an eingeschrieben. Genau damit habe ich mich in meinem Projektstudium beschäftigt.

Filmische Realität unterliegt gewissen Regeln und Bedingungen, die bei der Betrachtung berücksichtigt werden müssen. Der Film folgt eigenen Spielregeln, die auch zu Fehlinterpretationen führen können. Nichtsdestotrotz stellt der Film eine neue Perspektive bereit, die uns auf seine Weise ermöglicht, Themen unserer Realität zu verarbeiten und auch neu zu verstehen. Im Zuge der Produktion und Rezeption entstehen neue Bedeutungen, neue Wahrheiten. Wahrheit ist dabei nicht direkt mit Wirklichkeit gleichzusetzen, wohl aber hängen die beiden eng zusammen. Der Film wird genutzt um Themen unsere Lebenswelt aufzugreifen und zu bearbeiten.

Wir haben gesehen, dass die Wahrheit im Film auf unterschiedlichste Weise behandelt wird.

Jean Rouch, versucht in seinem Film „Die Chronik eines Sommers“, die Eigenschaften des Mediums zu nutzen, um Wahrhaftigkeit herzustellen. Er spielt mit den Konventionen und bezieht alle Akteure in den Schaffensprozess mit ein. Nicht zuletzt wird die Kamera selbst offenkundig als zentrales Instrument in diesem Prozess behandelt. Das Resultat sehen er und sein Kollege aber selbst kritisch.

„The Act of Killing“ reflektiert unseren Umgang mit Wahrheit durch Storytelling. Im Angesicht der Kamera soll dabei die wahre Natur der Protagonisten aufgedeckt und offenbart werden – ganz ohne dabei auf die üblichen und ohnehin bekannten historischen Fakten zu rekurrieren.

Das Vermischen von Realitäten ist auch das Grundprinzip von sogenannten Mockumentaries. Auch in „This is Spinal Tap“ ist nicht immer klar, wo Fiktion endet und Wahrheit aufhört.

In „Rashomon“ und „Die 12 Geschworenen“ wird unser grundliegendes Verständnis von Wahrheit und unsere Wahrnehmung reflektiert. Eine objektive Wahrheit gibt es am Ende nicht. Vielmehr werden Bilder, Erinnerungen und subjektive Eindrücke kritisch hinterfragt.
In „Memento“ macht sich Christopher Nolan diese Prinzipien zu nutze. Mit dramaturgischer Präzision inszeniert er die Suche nach der Wahrheit als herausforderndes Denkspiel für den Zuschauer.

Zuletzt beschäftigen sich „Gone Girl“ und „Die Truman Show“ mit der Konstruiertheit medialer oder medial geprägter Welten, in denen eine verzerrte Wahrnehmung Realität neu definiert und selbst unsere Identität neu betrachtet werden muss.

Bereits in der Einführung war klar, dass es keine eindeutige Konklusion in dieser Frage nach der Wahrheit geben kann. Die behandelten Filme haben dies nur bestätigt. Aus Erkenntnissen entstehen immer wieder auch neue Fragen. Aus neuen Fragen wiederum neue Erkenntnisse. Ganz nach dem Prinzip der Wissenschaft sind Erkenntnisse nicht notwendigerweise von anhaltender Gültigkeit, sondern nur ein nächster Schritt. Die Suche nach Wahrheit ist wohl grundsätzlich ein immer fortlaufender Prozess. Den Abschluss dieser unabgeschlossenen Thematik soll deshalb folgendes Zitat bilden:

„Es gibt da so einen Burschen, einen Deutschen … Fritz … so und so … oder … heißt er vielleicht auch Werner, na egal … der hat eine Theorie entwickelt. Wenn man etwas untersuchen will – ich meine wissenschaftlich – wie sich die Planeten um die Sonne drehen, aus was für einer Materie Sonnenflecken sind, wieso das Wasser aus der Dusche kommt … naja, man muss sich das ansehen. Aber manchmal da verändert die Betrachtung den Gegenstand. Man kann nie objektiv wissen, was passiert ist. Oder was passiert wäre, wenn man nicht mit seiner verdammten Nase drin rumgeschnüffelt hätte. Deshalb kann es nie Gewissheit geben. Indem man etwas betrachtet, verändert man es. Die nennen das das Unschärfeprinzip. Klar, es klingt bescheuert, aber sogar Einstein sagt, dass da irgendwas dran ist. Wissenschaft, Wahrnehmung, Realität… Zweifel. Berechtigter Zweifel. Ich meine: je genauer man etwas betrachtet, desto weniger weiß man. Das steht fest. Eine bewiesene Tatsache. Und vermutlich die einzige Tatsache, die zählt.“ – Freddy Riedenschneider (in „The man who wasn’t there“)

Foto: Wikimedia Commons / by Joseolgon (CC BY-SA 3.0)