Kleiderkreisel – Onlinebetrug leicht gemacht?

von Sabine Appel

„Als bekannte Modebloggerin so etwas abzuziehen, geht zu weit“ Lisa* (21) ist eine der Nutzerinnen, die beim Online-Tausch-Flohmarkt Kleiderkreisel schon einmal betrogen wurden. Sie hatte sich ihre Traumschuhe ausgesucht, freundlichen Kontakt mit der Verkäuferin aufgenommen, die zunächst sehr nett und entgegenkommend wirkte. Die Schuhe wurden bezahlt, die Adressdaten von der Käuferin angegeben – aber der Postbote kam nicht. Lisa erhielt ihre Ware nie. Auf ihre vielfachen Nachrichten an die Verkäuferin erhielt sie keine Antwort mehr. Das Geld ist weg, die Schuhe sind noch immer im Katalog der Userin zu sehen. Wie oft sie wohl schon verkauft wurden?

 

Das war vor acht Monaten. Heute sagt Lisa, sie würde Kleiderkreisel zwar immer noch nutzen, aber nie wieder für etwas, das teurer sei als zwanzig Euro. Besonders enttäuscht ist sie, weil die Verkäuferin eine bekannte Modebloggerin ist, die auf ihrem Blog  sympathisch wirkt und viele Fans hat. Hat so jemand es nötig, andere Nutzerinnen um ihr Geld zu bringen? Wahrscheinlich nicht. Aber es war anscheinend leicht. Lisa ärgert sich: „Ich habe auch das Kommando informiert – aber was sollen die machen?“ Das Kleiderkreisel-Kommando ist die Aufsicht der Plattform, das Beschwerden über fehlgeschlagene Transaktionen entgegen nimmt. Es tue ihnen leid und sie würden sich darum kümmern, so lautete die Rückmeldung an Lisa. „Mein Geld bekomme ich trotzdem nicht wieder.“ Bis heute sei nichts passiert. Als wir die Verkäuferin um eine Gegendarstellung bitten, um unparteiisch bleiben zu können, bekommen auch wir keine Rückmeldung. Aber keine Antwort ist bekanntlich auch eine Antwort.

 

Ist die traditionelle Kleiderbörse besser als die virtuelle?

Seit seiner Gründung im Jahr 2009 ist Kleiderkreisel zur wohl populärsten Plattform geworden, wenn es um das Verkaufen und Tauschen von Second Hand Kleidung geht. Second Hand hat einen neuen Anstrich bekommen und ist inzwischen vor allem für die jüngere Generation eher nützlich als peinlich. Besonders Markenteile und Trendteile, die nicht überall erhältlich sind – zum Beispiel von Primark, der keinen Onlineshop und nur wenige deutsche Filialen hat -, bringen über Nacht 20 Anfragen. Viele User, hier auch „Kreisler“ genannt, erfreuen sich täglich an dem Angebot. Dennoch gibt es immer wieder Schwierigkeiten beim Kaufen und Tauschen, so wie in Lisas Fall.

 

Der originale Offlineflohmarkt im Nachbardorf ist zu einer beinahe romantischen Vorstellung geworden, der immer wieder in Magazinen wie zum Beispiel dem COUCH Magazin erwähnt und beworben wird.  Doch mal ganz abgesehen vom Trödelflair – ist der normale Flohmarkt vielleicht auch sonst besser als die Onlinevariante? Hat Oma doch recht, wenn sie sagt, dass Käufe im Internet gefährlicher sind als im Laden oder auf der Straße? Fest steht, dass man auf der echten Kleiderbörse weniger Gefahr läuft, einen Fehlkauf zu tätigen oder ein kaputtes Teil zu erhalten, als auf der virtuellen. Schließlich kann man es sich vor Ort genau ansehen, bevor man es mitnimmt. Geld auf die Hand, Ware in die Tasche. Kaum Spielraum für Betrügereien. Dass man für etwas bezahlt, das man nie erhält, ist beim traditionellen Flohmarkt keine Option. Früher war also mal wieder alles besser – aber ist diese Sicht nicht auch ein bisschen nostalgisch?

 

 

Auf die eine schlechte Erfahrung, die Lisa gemacht hat, kommen beinahe 100 gute Bewertungen, die sie von positiv verlaufenen Transaktionen als Käuferin und Verkäuferin bekommen hat. Im Allgemeinen verbindet sie mit Kleiderkreisel also viel Positives. Dennoch sieht sie so wie viele andere Nutzer das Risiko. „Ich glaube schon, dass Internetflohmärkte viele dazu verleiten, zu betrügen.“ Privatverkäufer haben es relativ leicht, auf einer verhältnismäßig kleinen Plattform wie  Kleiderkreisel zu schummeln. Problematisch bei den Kaufaktionen ist, dass der Verkäufer meist nur seinen Namen und seine Kontodaten angibt, während der Käufer seine Adresse und damit einen sehr viel nachvollziehbareren Teil seiner Identität preisgibt. Bei einem Fehlverhalten seitens des Käufers wird es nach der Überweisung schwierig: Wie zieht man jemanden zur Rechenschaft, von dem man nur den Namen kennt, der theoretisch sogar ein falscher sein könnte?

 

Die Anonymität des Internets schützt hier den Täter und lässt das Opfer beinahe machtlos zurück. Klar, der Account kann vom Kommando gesperrt werden – aber was ist mit dem verlorenen Geld? Der „Community-Gedanke“, der Kleiderkreisel so viel heimeliger macht als beispielsweise den Auktionsriesen eBay oder reine High End Markenflohmärkte, geht an solchen Stellen verloren. Das sei schade, sagt Lisa, die Internetshopping und besonders Kleiderkreisel sonst sehr gerne mag. Es sei eigentlich so schön unkompliziert.

 

Onlineshopping ist unkompliziert und bietet mehr Möglichkeiten

Und da sind wir bei den Vorteilen angelangt: Natürlich ist das Risiko größer, aber gleichzeitig ist die Online-Kleiderbörse auch so viel praktischer und bequemer. Das Angebot ist bei weitem umfangreicher als in der Dorfturnhalle, gleichzeitig ist es übersichtlicher. Durch den Umfang, den das Internet bietet, ist das Spektrum an Marken und Stilen beinahe grenzenlos. Man kann ganz gezielt per Filter nach dem suchen, was man möchte. Stöbern mag nett sein – und ist auch virtuell bis zu einem gewissen Punkt möglich -, wenn man aber ein ganz bestimmtes Teil sucht, ist der lokale Flohmarkt wenig nützlich.

 

Im Großen und Ganzen erfreut sich Kleiderkreisel nicht umsonst so großer Beliebtheit. Die meisten Transaktionen laufen gut ab und sind durch das einfache Briefkasten-Kommunikationssystem unkomplizierter, freier und persönlicher als anderswo. Neben Käufen und Tauschaktionen bietet die Plattform ein Forum, in dem sich die User über Mode, aber auch über ganz alltägliche bis private Themen austauschen, Spiele spielen und den einen oder anderen vielleicht sogar näher kennenlernen. Eine richtige Community eben, die nebenbei „ stylish recycelt“, wie die Gründerinnen von Kleiderkreisel es nennen. Ein gelungenes Konzept, in dem es eben wie überall ein paar schwarze Schafe gibt, die sich zunächst unter einem weißen Deckmäntelchen verstecken.

 

Lisa will die Verkäuferin, die nie die bezahlte Ware gesendet hat nun nach wiederholter Rückzahlungsaufforderung anzeigen. Den vollen Namen sowie die Anschrift der Verkäuferin kennt sie in diesem Fall dank Blogimpressum – das hat ihr Gegenüber wohl nicht bedacht. Lisa geht es ums Prinzip: Mit so etwas dürfe niemand durchkommen. Und hier wird ein Mal mehr deutlich: Was auch immer man sich in der virtuellen Welt herausnimmt, bleibt im Ernstfall in der Realität nicht ungestraft.


Foto: flickr.com/Context Travel (CC BY-NC-SA 2.0)

 

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