Feindbilder in den Medien

Von Lara Luttenschlager

„Es ist leichter, ein Atom zu spalten als ein Vorurteil“, soll Einstein einmal gesagt haben. Und tatsächlich: Vorurteile, darunter deren negativste und wohl hartnäckigste Form – die Feindbilder – begegnen uns nahezu immer und überall. Auch in den Medien.

Wer bin ich – und wenn ja, gegen wen?

Das passiert aus gutem Grund: Denn die Definition dessen, was gut ist und was wir selbst sein wollen, beginnt paradoxerweise mit der Erfindung des Feindes. Erst durch die Abgrenzung der eigenen Gruppe von einer anderen, sei es durch Nationalität, Ethnizität oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht, wissen wir, was uns scheinbar auszeichnet. Als Schwarz-Weiß-Denkmuster weisen Feindbilder bestimmten Personengruppen schlechte, unerwünschte Eigenschaften zu. Sie reduzieren unsere komplexe Umgebung und geben uns so Orientierung und Identität. Unser Feind ist unser Gegenstück. Gleichzeitig wird unser eigenes Selbstwertgefühl enorm gesteigert, wenn wir uns vom bösen und niederträchtigen „Anderen“ distanzieren können. Besser noch: Wir halten angesichts des auserkorenen Feindes auch noch stärker zusammen.

Ein berühmtes Beispiel für diese Art der Ab- und Ausgrenzung zur Festigung der eigenen Identität ist die Erfindung des Orients im 19. Jahrhundert. Als Orientalismus beschreibt Literaturtheoretiker Edward Said die Schaffung des Konzeptes des bedrohlichen, mysteriösen Orients durch die europäischen Kolonialmächte als negatives Spiegelbild zur eigenen, westlichen und „zivilisierten“ Gesellschaft. Ein Bild, das sich bis heute wacker zu halten scheint.

Ein ewiger Kassenschlager

6989367511_9b77fdb8b0_oFür Medien bietet das Feindbild ein ewiges Erfolgskonzept: Wie kann man den Helden eines Films besser definieren als das schillernde Gegenstück zum unverbesserlichen, hässlichen Bösewicht? Was macht eine Geschichte spannender als die Bekämpfung eines bedrohlichen Feindes? Auch in Zeiten auflebender Islam- und Fremdenfeindlichkeit zeigt sich wohl, dass sich kaum ein Thema besser verkauft als eine gesellschaftliche Debatte, die durch ein gutes Feindbild unterfüttert ist. Medien gestalten dabei unsere Wahrnehmung und Weltbilder entscheidend mit. Ihren großen Einfluss auf die ursprüngliche Entstehung und Verbreitung von Feindbildern zeigen nicht zuletzt die Auswirkungen erfolgreicher Propagandamaschinerien in vergangenen Kriegen.

Gefährliche Feindschaften: Warum Feindbilder hinterfragt werden müssen

Doch gerade hier liegen auch die Gefahren: Da Feindbilder sich meist auf Randgruppen oder Minderheiten konzentrieren, ziehen sie in Krisenzeiten Stigmatisierung und Diskriminierung nach sich, dienen als Ventil für angestaute Aggressionen und werden schnell instrumentalisiert. Sie beinhalten moralisch und meist emotional aufgeladene negative Bewertungen von anderen Menschen, die, einmal verinnerlicht, kaum mehr hinterfragt werden und eine richtige Beschäftigung mit dem „Feind“ nahezu ersetzen. Folgen sind generelles Misstrauen, Schuldzuschreibungen und Empathieverweigerung. Der psychologische Wissenschaftler Louis Oppenheimer sieht in Feindbildern gar die Gefahr einer selbsterfüllenden Prophezeiung, da durch die andauernde Stigmatisierung der „out-group“ durch die „in-group“ frustrierte Reaktionen hervorgerufen werden können, die dem Feindbild letztendlich tatsächlich entsprechen.

In den nächsten Wochen wird die neue Artikelreihe Feindbilder in den Medien daher einigen unserer Lieblingsfeinde auf den Leib rücken und neue Einblicke in Phänomene der Feindbildkonstruktion gewähren. Wie sieht eigentlich der perfekte Film-Bösewicht aus? Wie werden in politischen Konflikten Feindbilder durch Handyvideos geschaffen? Und was hat es eigentlich mit Shitstorms und Bashing in den sozialen Netzwerken auf sich?

Fotos: flickr.com/sm0re (CC BY 2.0), flickr.com/Michael Caroe Andersen (CC BY-NC 2.0)