Im Netz zu Hause

von Alexander Karl

Vor 10 Jahren schuf Marc Prenzky eine Unterscheidung, die sich noch heute in der Medienwissenschaft größem Zuspruch erfreut: Die Digital Natives – jene Generation, die in einer multimedialen (Internet-)Welt aufgewachsen ist – und die Digital Immigrants, die die vorhergehenden Generationen darstellen. Aber gibt es sie wirklich, die strickte Trennung? Oder ist alles viel komplexer?

Digital Natives vs. Digital Immigrants

Versucht man die beiden Gruppen stereotyp zu beschreiben, könnte man es frei nach Prenzky wohl so machen:

Digital Natives hören Musikvideos auf Youtube, posten den Link bei Facebook und warten darauf, dass ihre Freunde ‚Gefällt mir‘ klicken. Sie schreiben Blogs und Essen nebenbei, während diverse Chatprogramme laufen.

Digital Immigrants drucken Mails aus und wenn eine Antwort zu lange dauert, rufen sie den Empfänger an und fragen, ob die Mail angekommen ist. Und sie hätten am liebsten zu jedem Computerprogramm eine Bedienungsanleitung, anstatt einfach auszuprobieren.

Der Kontrast ist deutlich und schnell wird klar: Digital Natives sind wir (Studenten und all jene, die man als Generation Y bezeichnet), wohingegen die Digital Immigrants alle vorhergehenden Jahrgänge darstellen. Während die Natives also online als Muttersprache sprechen, müssen die Immigrants sich zunächst an die Terminologie gewöhnen – und verstehen, dass die Students, wie Prenzky die Gruppe nennt, anders ist als alle vorhergehenden: „Our students have changed radically. Today’s students are no longer the people our educational system was designed to teach.“

Die Studenten – und allgemein die Jugend – ist mit digitalen Angeboten aufgewachsen, an die die Generation vor uns noch nicht einmal zu denken gewagt hat (außer natürlich, man heißt Steve Jobs). Prenzky spricht in seinem Report von 2001 von Video-Spielen und dem Internet im Allgemeinen, die uns faszinieren. Heute, 10 Jahre später, würde man wohl auch Facebook hinzufügen, was nicht nur die Online-Zeit der User in die Höhe schließen lässt, sondern die Kommunikationsstruktur aller User verändert.

Prenzky zielt in seinem Report aber vor allem auf die Frage ab, wie medienaffine Jugendliche zielgerichtet und erfolgreich unterrichtet werden können – und das zumeist von Digital Immigrants, die nicht verstehen, dass man beim Lernen (oder Blog-Schreiben) Musik hören kann, ohne sich nicht zu konzentrieren. Das, so Prenzky, liegt aber nur daran, dass die Digital Immigrants es eben nicht können:

„Of course not – they didn’t practice this skill constantly for all of their formative years. Digital Immigrants think learning can’t (or shouldn’t) be fun. Why should they – they didn’t spend their formative years learning with Sesame Street.“

Aber: Wie soll diese Kluft zwischen Muttersprachlern und Fremdsprachlern geschlossen werden, gerade dann, wenn die Fremdsprachler die Muttersprachler unterrichten? Prenzky meint, dass die Digital Immigrants die Sprache der Digital Natives lernen und den Unterrichtsstoff dementsprechend anpassen müssen:

„In geography – which is all but ignored these days – there is no reason that a generation
that can memorize over 100 Pokémon characters with all their characteristics, history and
evolution can’t learn the names, populations, capitals and relationships of all the 101
nations in the world. It just depends on how it is presented.“

 

Wer sind wir? Wer sind die Digital Natives?

Studenten der Kansas State University haben sich 2007 die Frage gestellt, wer sie sind, wie sie mit digitalen Medien umgehen und kamen zu eindeutigen Ergebnisse, in denen sich wohl jeder Student der 2000-Jahre wiederfinden kann:

Die Studenten werden nur 8 Bücher im Jahr lesen, dafür 2300 Webseiten und fast 1300 Facebook-Profile. Die Studenten aus Kansas sind nicht nur Teil des Medien- und Lebenswandels, sie bezeugen ihn auch eindrucksvoll in ihrem Video.

 

Doch zu Prenzkys eindeutiger Abgrenzung gibt es auch Gegenstimmen. Simson Garfinkel widerspricht Prenzky, dass generell alle Jugendliche automatisch Digital Natives werden. Um bei der Analogie der Natives und Immigrants zu bleiben: Garfinkel meint, dass sich alle Jugendliche gezwungenermaßen in die Internet-Welt eingebürgen lassen – denn wenn sie es nicht tun, werden sie zu Randständigen.

„The difference between these old fogies and today’s teens is that, for many teens today, learning to use a computer is no longer optional. The teachers in my town’s high school refuse to accept papers unless they are typed on a computer.“

Wer aber nicht mit Computer oder Internet dienen kann, kann schnell isoliert werden (bestes Beispiel ist mal wieder Facebook). Ihm fehlt auch die Möglichkeiten, sich zu (wichtigen politischen) Themen zu informieren – und schon muss man sich mit dem Thema des Digital Divide auseinander setzen.

 

Foto: photocase.de / misterQM

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