von Sanja Döttling

Eine belastete Beziehung, die zwischen der Politik und dem Internet. Gerade auch in Deutschland. Nach dem Einzug der Piraten in das Berliner Abgeordnetenhaus entdeckt selbst die Bundesregierung das Internet für sich. In den USA ist man da weiter: Beim Wahlkampf zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten in Amerika macht sich unter anderem Facebook als Wahl-sager einen Namen und gibt Prognosen über den Sieger ab.

Internet und Politik 

Manchmal ist es ein Kampf, die Hass-Liebe zwischen Internet und Politik(ern). ‚Dieses Internet‘ wurde von der Politik in Deutschland lange ignoriert – und wir ignorierten mit. In unserem Facebook-Stream bewundern wir lieber die neue Spraydosen-Wandbemalung in einer befreundeten Studenten-WG. Oder gucken uns bei GMX die Bilderstrecke zum Thema Angeschwemmte Monstertiere an. Politik findet man da nur zwischen den Zeilen (oder wenn man es darauf anlegt). Das ist auch die Schuld der Politik, die sich im Internet eher bedeckt hielt. Bis jetzt.

Bundesregierung und Bürger – Kuscheln im Inter-Bett?

Aber sie bemüht sich, die Politik, auch im Internet präsent zu werden. Unsere Bundesrgierung hat sogar einen eigenen Kanal auf youtube. Sie haben fast 5.000 Abonennten. Die Jungs, die die Gotye-Parodie drehten, haben fast 400.000. Jetzt geht sogar die Kanzlerin in die offensive und fordert die Bürger auf, Ideen für das leben in Deutschland in den nächsten Jahren beizusteuern. Dabei sollen diese Fragen beantwortet werden: „Wie wollen wir zusammenleben? Wovon wollen wir leben? Wie wollen wir lernen?“.

Dialog über Deutschland“ – so heißt die neue Internetkampagne. Das Ganze läuft ähnlich ab wie schon die Internet-Aktion „Fragen an die Kanzlerin“. Der Unterschied: Die Alliteration. Und: Während die Fragen an die Kanzlerin nur auf youtube von derselben beantwortet wurden, werden nun die Autoren der zehn am besten bewerteten Fragen des „Dialogs“ zu einem ganz realen Bürgergespräch nach Berlin eingeladen.

Somit hat das Dialog-Konzept größere Interaktionsmöglichkeiten als noch die Fragestunde (denn bei den youtube-Videos war sogar die Kommentarfunktion deaktiviert). Und trotzdem wirkt der Versuch einer „direkten“ Demokratie im Internet geradezu hilflos. Vor allem, weil politisch Interessierte und Internet-User sich kaum aus dem gleichen Klientel aufstellen, was die Abstimmungszahlen implizieren: Mit 14.000 Stimmen dafür, offen über den Islam zu diskutieren, liegt eine Forderung an der Spitze, die genauso unkonkret ist wie die Politik selbst. Auf Platz zwei und drei: ACTA-Stoppen und Cannabis legalisieren. Wer will, kann selbst noch bis zum 15. April abstimmen. Oder aber die Bildstrecke über Monstertiere auf GMX anschauen.

Ach ja: Auch Amerika.

Wie es anders gehen kann (und vielleicht sogar muss) zeigt sich in den USA: Im Präsidentschaftswahlkampf in den USA wird verstärkt auf das Internet als Helfer/Waffe gesetzt. So hat Barack Obamas Facebook-Seite inzwischen 25 Millionen Freunde und das Internet hatte 2008 einen großen Anteil an seinem Wahlerfolg. Auch jetzt ist er im Internet noch aktiv. Zahlreiche Gruppen machen sich auch in diesem Wahljahr für und gegen den Noch-Präsidenten stark: „I hate it when I wake up in the morning and Barack Obama is President.“ heißt eine charmante Seite. Eine andere nennt sich „Students for Obama“ und macht sich für dessen Wiederwahl stark.

In welche Richtung entwickelt sich die Symbiose Politik und Internet?

Auch Twitter ist aktiv. Die Twitter-Gemeinde nahm ein einziges Schlagwort aus der Rede des republikanischen Newt Gingrich (seine „grandiosen Ideen„) und der tag #grandiosenewt wurde schnell zum Hit. Überhaupt scheint das Internet in den meisten Fällen der Verleumdung von Kandidaten zu dienen, nicht etwa der Verbreitung tatsächlichen politischen Inhalts (media-bubble  berichtete). Doch laut der New York Times ist twitter dazu in der Lage, aktiveren Kontakt mit dem Bürgern zu halten und schneller auf Stimmungen zu reagieren. (Die Auswertung der twitter-Meldungen zur Prognose von Wahlergebnissen schlug aber fehl.)

Weiter ging das Magazin Politico in Kooperation mit Facebook: Sie werteten Statusmeldungen und Verlinkungen auf den Seiten von US-Bürgern aus, um ein Stimmungsbild von den republikanischen Kandidaten zu generieren. Bei all dem Geschrei um Datenschutz ist das fast schon untergegangen; es ist das eine, wenn Politiker online Kampagnen schalten. Aber doch etwas ganz anderes, wenn Facebook ungefragt unter seinen Nutzern herumfragt.

Der Internetauftritt der Tagesschau argumentiert, dass das Internet in diesem Wahlkampf ein wichtiger Faktor ist und wahlentscheidend sein kann. Das könnte für ein Land wie Amerika sogar gelten. Der deutschen Politik fehlt allerdings merklich das Interesse der internetaffinen Bevölkerung.

 

 

Foto: flickr/See-ming Lee 李思明 SML (CC BY-SA 2.0)